Was du als Führungskraft wissen musst, um effektiv zu coachen

Heute wollen wir uns nochmal mit Coaching beschäftigen.

Mein Beitrag „Coaching für moderne Mitarbeiterführung“ hat bei euch ein paar Fragen aufgeworfen, vor allem weil die Wörter „Coach“ und „Coaching“ ja bereits sehr strapaziert sind. Wieso soll ich als Führungskraft nun auch noch coachen? Was genau soll das bringen? Ist nun wirklich jeder ein Coach – auch der Chef?

Aber es geht um effektives Coaching. Und das ist das Schlüsselwort, effektiv. Ich sage das, weil Studien gezeigt haben, dass Teams, die effektives Coaching gegenüber nicht effektivem Coaching erhalten, ihre Kollegen um 23 Prozent übertreffen.

Was würde eine Steigerung von 23 Prozent für dich und dein Team bedeuten?

Ich bin sicher, dass die meisten von euch ihre Mitarbeiter coachen, aber es geht mir um effektives vs. nicht effektives Coaching. Lass uns mal über den Unterschied zwischen effektivem und nicht effektivem Coaching zu sprechen.

Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen managen und coachen. Beim Managen geht es darum,

  • zu leiten,
  • Anweisungen zu geben,
  • Autorität zu vermitteln,

um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen.

Beim Coaching geht es um

  • Erkunden,
  • Moderation,
  • Partnerschaft,
  • langfristige Verbesserung.

Viele von uns coachen und managen einfach auf die Art und Weise, wie wir selbst einst gecoacht und gemanagt wurden. Jetzt wäre es mal gut, innezuhalten und darüber nachzudenken, was sich bewährt hat.  Wie coachen gute Trainer ihr Team?

Wenn ich Führungskräfte frage: „Coachst du auch deine Mitarbeiter?“, dann antworten sie mir oft: „Ich bin ein großartiger Coach für mein Team. Ich spreche mit allen, jeden Tag, und ich spreche mit ihnen über alles. Ich coache rund um die Uhr – bei jeder Gelegenheit.“

Doch das ist kein Coaching. Vor allem ist das kein effektives Coaching. Wenn man sich den Schweinezyklus anschaut, dann kann man genau sehen, wann jemand wirklich coacht: immer dann, je mehr man sich dem Ende des Zyklus, also einer Deadline, nähert. Wenn man zu diesem Zeitpunkt als Führungskraft das Gefühl hat, da geht noch was, oder man der Meinung ist, der Mitarbeiter macht nicht, was  er soll, dann schnellt der Fokus in die Höhe. Wer so coacht, befindet sich in einem Hamsterrad – gerade weil er jeden Tag mit allen über alles spricht.

Wenn wir ehrlich sind, dann wissen wir alle, dass die Fähigkeit, etwas zu beeinflussen (und zwar egal, in welchem Business du dich befindest, in welcher Branche du arbeitest oder welches Team du auch leitest) wenig bis nichts nützt. Was auch immer du tust, du erreichst vermutlich das Gegenteil davon. Unser Einfluss ist tatsächlich größer, je früher im Zyklus, im Monat, im Quartal, im Jahr wir uns befinden.

Wenn du also ein effektiver Coach sein möchtest, dann musst du deine Einstellung ändern. Du solltest dich von einer reaktiven Überprüfung, bei der du jeden Tag mit jedem über alles sprichst, zu einer proaktiveren Einstellung hin verändern.

Dafür gibt es eine kleine, simple Hilfestellung, die ich mir aus dem Englischen ausgeliehen habe:

C O A C H –

  • dabei steht das C für connect – also eine Bindung herzustellen
  • das O steht für observe und zwar das Verhalten, die Denke und die Arbeit
  • das A steht für assess –  und zwar die Stärken und die Bereiche, die verbessert werden sollen
  • C steht für challenge – und zwar das Denken des Mitarbeiters, das Mindset – damit er eine Vision entwickeln kann
  • H repräsentiert dann Hold people accountable – sie in die Pflicht für ihre Taten und Ziele nehmen

Wie geht das nun?

Zuerst baue ich eine vertrauensvolle Beziehung zu meinen Mitarbeitern auf. Ich beobachte ihr Verhalten. Ich beobachte, wie sie denken, ich beobachte ihre Leistung und analysiere und beurteile sie auf Basis dessen.

So komme ich zu Erkenntnissen darüber, wie man ihre Denkweise und ihr Verhalten in Frage stellen und sie letztendlich für ihre Handlungen in die Pflicht nehmen kann.

COACH ist ein Framework für effektives Coaching.

Es handelt sich also nicht um ein einmaliges Ereignis. Es ist eine fortlaufende Reihe von inhaltsgetriebenen Gesprächen – und bedeutet nicht, immer mit jedem über alles zu sprechen.

Du musst dich auf ein bestimmtes Thema konzentrieren. Oft tappt man in den One2Ones in eine Falle. Wir sprechen allgemein über Performance, über ein Problem und mögliche Ergebnisse. Wir fordern Rechenschaft, geben gleichzeitig Tipps und erwarten dann Ausführung. Und obendrein vermischen wir das alles. Das ist sehr verwirrend für unsere Mitarbeiter. Anstatt uns also in ein Thema zu vertiefen, bleiben wir oberflächlich, und unsere Mitarbeiter halten mit den wahren Gründen zurück, weil sie wissen, dass es sie nicht weiterbringt, wie wir mit ihnen umgehen.

Die Mitarbeiter wissen oft sehr gut, wie man im Seichten fischt und nur an der Oberfläche bleibt. Doch wir erreichen in so einem Gespräch nicht die tiefgründigen strategischen Überlegungen, wie wir sie brauchen, wenn wir ein Geschäft skalieren wollen.

Wenn ich also mit dem Coachen starte, bedarf es einer gewissen Vorbereitung.

Mein Team und ich müssen uns auf das Coaching vorbereiten.

Und deshalb nehme ich mir Zeit. Coaching kann kein Zufall sein. Es kann nicht ad hoc passieren. Es muss vorausschauend geplant sein und es muss persönlich sein.

Du kannst dir nicht vorstellen, wie oft ich im Laufe der Jahre mit Führungskräften gesprochen habe, die mir sagten: „Ja, ich bin ein großartiger Coach, und ich coache mein Team einmal pro Woche. Wir haben nämlich Teammeetings einmal pro Woche“.

Ich möchte dir hier und jetzt ganz ehrlich sagen, dass Teammeetings, so wichtig sie auch sind, keine effektiven Coachingmöglichkeiten sind.

Nur im Persönlichen kann ein Gespräch

  • die Tiefe erhalten, die du brauchst,
  • die Analyse, die du brauchst,
  • die spezifische,
  • maßgeschneiderte,
  • absichtliche Interaktion, die du brauchst,
  • um Einsichten zu vermitteln,
  • das Denken zu fördern,
  • Feedback zu geben und
  • ein sicheres Umfeld für eine gesunde Debatte zu schaffen,
  • einen gesunden Konflikt,
  • die nur in einem persönlichen Gespräch stattfinden kann.

Wohlgemerkt, es ist eine Interaktion, d.h. es ist keine Einbahnstraße.

In vielen Fällen, in denen wir als Führungskräfte tätig sind, haben wir also eine Menge zu tun:

  • führen,
  • delegieren,
  • die Antwort parat haben,
  • die Antwort geben und
  • das Gespräch führen
  • eine Interaktion haben,
  • einen Dialog führen.

Es ist wichtig, etwas zu geben, um etwas zu bekommen. Sonst erhältst du nicht die notwendigen Einblicke. Das Stellen von offenen Fragen ist wichtig, um ein besseres Verständnis zu erhalten. Nur offene Fragen ermöglichen ein Gespräch.

Das Gespräch ist somit maßgeschneidert für diese einzelne Person, ihre exakten Bedürfnisse, die spezifischen Lücken, die du identifiziert hast.

Vielleicht hast du herausgefunden, dass sie bei der Erstellung von Berichten Hilfe braucht. Dann wirst du dich darauf konzentrieren. Bei einem Vertriebsmitarbeiter geht es vielleicht um die Gesprächsplanung.

So kannst du dann zielgerichtet in deinem Coaching vorgehen und das Coaching dient dann nicht, wie oft üblich, nur der persönlichen Karriereentwicklung, die allerdings ebenfalls wichtig ist.

Letztendlich geht es aber auch um Leistung. Es geht darum, wie wir als Führungskräfte den Ich-kann-alles-besser-Umhang ablegen und wie wir es schaffen, durch Coaching die einzelnen Teammitglieder besser zu machen, als sie sind, damit wir nicht immer das Gefühl haben, selber eingreifen zu müssen.

Stattdessen möchten wir hier eher das Gegenteil erreichen: selbständige, motivierte, gut ausgebildete Mitarbeiter, die nicht nur wissen, was sie tun, sondern auch das Selbstvertrauen haben, dass sie es können.

Wann coachen wir?

Ich sagte es bereits schon: Coaching ist wirklich nur dann effektiv, wenn du früh startest und es kontinuierlich machst.

Wen coachen wir?

Es gibt ein großartiges Modell, mit dem man sein Team im Verhältnis zu seiner Erfahrung und seiner Leistung eingliedern kann.

Es gibt A-, B- und C-Mitarbeiter (keine Angst, es können natürlich auch andere Modelle zur Anwendung kommen – für unser Thema scheint mir das hier aber das richtige zu sein).

Wir haben die X-Achse einerseits, die die Zeit beschreibt und die Y-Achse, wo du die Leistung abträgst. Stell dir nun eine Gaußsche Verteilung vor, die, von links nach rechts, in vier fast gleiche Kategorien eingeteilt ist.

  • A-Mitarbeiter sind diejenigen, die die Leistungserwartungen durchweg übertreffen. Sie zeigen eine hohe Bereitschaft und Lernfähigkeit.
  • Dann hast du B-Mitarbeiter. Sie erfüllen durchweg die Leistungserwartungen.

Sie zeigen eine hohe Bereitschaft, aber mäßige bis geringe Fähigkeiten.

  • Und dann sind da deine C-Mitarbeiter. Die erfüllen die Leistungserwartungen uneinheitlich und/oder haben einen geringen Grad an Motivation und Lernfähigkeit.

Geringe Leistungen am Anfang einer neuen Aufgabe finden wir oft bei C-Mitarbeitern. Sie können die Erwartungen noch nicht erfüllen, da sie ganz frisch sind. Hier braucht es Ausbildung und klare Anweisungen. Diese neuen Mitarbeiter befinden sich in Kategorie 1.

Es kann aber vorkommen, dass wir Leistungsträger (A-Mitarbeiter) haben, die meinen, dass man sich nicht mehr weiterzuentwickeln braucht. Mit der Zeit merken wir, dass ihre Leistung nachlässt, weil der ganze Rest des Teams sich z. B. fortbildet, anpasst und Erfolg hat und sie nicht. Was dir also auffallen wird, ist, dass man ein C-Mitarbeiter sowohl deshalb sein kann, weil man gerade erst in der Firma angefangen hat, als auch ein C-Mitarbeiter, der mal ein A-Mitarbeiter war.

Kategorie 1, das sind also typischerweise deine Neueinstellungen. Und Kategorie 4 sind diejenigen, die ich jetzt mal „gefallene“ Mitarbeiter nenne. Ehemalige Sterne. In Kategorie 2 findest du deine B-Mitarbeiter.

Ich glaube, hier wirst du den größten Nutzen für effektive Coachinggespräche ziehen. Machst du das richtig, dann wechseln die in die Kategorie 3. Hier hast du genau die Gruppe, die Spitzenleistung bringt. Sie sind konstant leistungsfähig. Sie sind willig. Sie sind in der Lage, Erlerntes 1a umzusetzen. Dies ist die Gruppe, an die du alles delegieren kannst.

Du kannst Mitarbeiter aus der Kategorie 3 dazu benutzen, die Mitarbeiter in Kategorie 4 zu motivieren.

Du willst wirklich davon wegkommen, jeden Tag mit jedem über alles zu sprechen.

Und du solltest dir diese Definition von effektivem Coaching zu eigen machen. Es ist eine fortlaufende Reihe geplanter Einzelinteraktionen zwischen dir, der Führungskraft und deinem Mitarbeiter. Sie hat den Zweck, den Mitarbeiter zu entwickeln und seine Leistung zu steigern.

Dieser Artikel basierte auf dieser Folge meines Podcasts „Dein Team, Deine Pflicht“. Um diese und viele andere Episoden zu hören, kannst du den Dein-Team-Deine-Pflicht Podcast abonnieren.

Hier schreibt Kai Boyd
Mit jahrzehntelanger Erfahrung in Führungspositionen, darunter bei PricewaterhouseCoopers und Deutsche Telekom, Telefonica, deal united, Twilio und weg.de, hilft Kai Boyd Unternehmern und Einzelkämpfern, ihre Führungsfähigkeiten zu verbessern. Der Münchner und begeisterte Jogger bringt Expertise aus Konzernen, dem Mittelstand und Start-ups ein.

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