Konflikte mit dem Chef besprechen

Wenn Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Überzeugungen am Arbeitsplatz zusammenkommen, sind Konflikte vorprogrammiert. Ganz oft ist es ja so, dass der schwierigste Teil der Arbeit nicht die Aufgaben an sich sind, sondern die Menschen.

Dieser Artikel basiert auf der Podcast-Folge „Wie du den Chef bei Konflikten auf der Arbeit ansprichst“ des „Dein Team, Deine Pflicht“-Podcasts. Um diese Folge und viele weitere zu hören, kannst du den „Dein Team, Deine Pflicht“-Podcast z. B. auf iTunes, Spotify und Amazon Music abonnieren.

Da gibt es arbeitsspezifische Konflikte, die mit Beförderungen, Gehaltsunterschieden, mangelnder Anerkennung für Leistung oder geteilter Verantwortung im Team zu tun haben. Es gibt auch allgemeinere Konflikte – mit dem persönlichen Wohlbefinden, der eigenen Privatsphäre. Und dann gibt es natürlich die ganz normalen Persönlichkeitskonflikte: wie jemand aussieht, die Art, wie jemand spricht, seine politischen Ansichten, seine religiösen Ansichten usw.

Warum wir Konflikte so ungern ansprechen

Das Problem ist, dass sich die meisten Angestellten unwohl fühlen, wenn ein Konflikt auftaucht. Nicht immer sprechen sie das an und gehen souverän damit um. Ob man sich dafür entscheidet, ein schwieriges Thema anzusprechen, ist immer das Ergebnis einer mentalen Risikokalkulation: Lohnt sich dieser Einsatz überhaupt? Gehen wir mal ganz weit zurückgehen zu unseren Vorfahren, wo es im Konfliktfall ein sehr reales Risiko gab, verletzt zu werden oder zu sterben. Daher wurde ein Konflikt sehr ernst genommen, und das hat unsere Gene mit einer extrem starken automatischen Abneigung gegen Konflikte ausgestattet. Das bedeutet, die meisten Menschen fühlen sich ziemlich unwohl bei dem Gedanken, ein schwieriges Gespräch führen zu müssen.

Das Wort Konflikt impliziert eine Art Kampf, Schlacht oder Auseinandersetzung.

Normalerweise wollen wir ja, dass unsere Mitarbeiter die Dinge auch so sehen, wie wir selbst sie sehen. Tun sie es nicht, fühlen wir uns bedroht oder wir haben das Gefühl, den Kampf verloren zu haben. Konflikte können auch unsere Moral verletzen. Sie können sich negativ auf unser Wohlbefinden bei der Arbeit auswirken. Über Konflikte freut sich niemand, weil sie mit Stress verbunden sind. Niemand möchte gerne als Nörgler oder Querulant dastehen.  Deshalb werden die meisten Mitarbeiter genauso wie Chefs zwischenmenschliche Konflikte um jeden Preis vermeiden.

Probleme nicht unter den Teppich kehren – mach den ersten Schritt

Viele Menschen glauben tatsächlich, dass zwischenmenschliche Probleme mit der Zeit verschwinden werden. Unter den Teppich gekehrte Probleme schwelen allerdings immer weiter. Die Kommunikation verpufft und damit auch die Beziehung, bis irgendeiner den ersten Schritt macht. Und diese Person solltest du sein, wenn du den Stress reduzieren und dich in deinem Job weiterentwickeln willst. Tatsächlich ist es in den meisten Situationen von ernsthaften Konflikten bei der Arbeit, vor allem wenn der Konflikt mit dem Chef zu tun hat, wichtig, dass du diesen wissen lässt, was los ist.

Denn ein Konflikt am Arbeitsplatz kann die Dynamik im Büro negativ beeinträchtigen. Es ist unabdingbar, das Problem so schnell wie möglich anzusprechen und zu lösen, damit sich alle wieder um den Job kümmern können.

Achtung: Wenn du nicht derjenige bist, der deinen Chef darauf aufmerksam macht, dann kann es sein, dass du in die Defensive gerätst, nachdem es jemand anderes getan hat. Außerdem kann sich dein Chef bzw. deine Chefin auch hintergangen oder gekränkt fühlen, wenn er oder sie nicht von dir informiert worden ist. Niemand will der Letzte sein, der von einem erfährt, auch nicht dein Chef. Insbesondere wenn es sich um einen Konflikt handelt, der den Arbeitsablauf stört, sollte dein Chef wissen, was vor sich geht.

Wenn ein Konflikt zwischen den Mitarbeitern entsteht, dann sollten die Mitarbeiter das zuerst direkt untereinander klären. Das wird ohnehin das Erste sein, was dein Chef dir sagen wird. Also versuch es erst, bevor du mit deinem Chef sprichst. Gehe nicht mit kleinlichem oder zwischenmenschlichem Pillepalle zu deinem Chef, wenn du es selbst lösen kannst. Wenn jemand seine Kaffeetasse zum wiederholten Male in der Küche stehen lässt, dann ist das nichts, was dein Chef für dich lösen können sollte. Das musst du selber hinkriegen. Und es ist auch tatsächlich so, dass die Mitarbeiter die meisten Probleme selber unter sich lösen können. Es gibt keinen Grund, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen.

Aber wenn du das bereits versucht hast und die Situation ist einfach nicht gelöst worden oder es spitzt sich weiter zu, wird sich dein Vorgesetzter höchstwahrscheinlich einschalten wollen und auch müssen. Auch brenzlige Situationen, wie zum Beispiel ein drohender Umsatzverlust, solltest du selbstverständlich mit deinem Vorgesetzten besprechen. Bitte denke daran, dass du für einen solchen Fall eine Lösung parat haben musst.

Was tun, wenn der Chef am Konflikt (mit)schuld ist

Auch wenn der Konflikt deshalb entstanden ist, weil dein Vorgesetzter irgendwas Falsches gesagt oder getan hat, darfst du das Problem nicht ignorieren – wenn du das tust, wird es schlimmer werden. Du musst die Situation mit deinem Chef besprechen, aber auf eine Art und Weise, bei der er sich nicht angegriffen fühlt.

Lass deinen Vorgesetzten wissen, was dich stört und warum es dich stört und frag ihn, ob ihr beide an der Lösung dieses Konfliktes arbeiten könnt. Meiner Erfahrung nach wird dein Chef in aller Regel verständnisvoll sein, wird mit dir zusammenarbeiten, um diesen Konflikt zu beseitigen.

Es kann durchaus passieren, dass er oder sie beleidigt ist (die Erfahrung hab ich leider auch schon gemacht), was das Ganze eher schlimmer macht. Was, wenn du das befürchtest? Du musst dir im Klaren sein, wie dein Vorgesetzter tickt, und dass nichts zu tun keine Lösung ist. Es lohnt sich auf jeden Fall, das Risiko einzugehen und das Problem direkt bei ihm anzusprechen. Sonst wird es noch schwieriger.

Kalkuliere die Risiken und habe Lösungen parat

Du musst zuerst die Risiken kalkulieren, bevor du Konflikte ansprichst. Jedes Team ist ein Circus Maximus, ist eine soziale und politische Arena und als solche finden keine Interaktionen in einem Vakuum statt. Wenn du deine eigene Risikoanalyse durchführst, ist es wichtig, dein Standing im Büro im Verhältnis zu deinen Mitarbeitern zu bewerten.

Wenn du nun also feststellst, dass es angebracht ist, den Chef anzusprechen und den – wie auch immer gearteten – Konflikt zu besprechen, dann empfehle ich dir Folgendes: Denke über Lösungen nach, bevor du den Chef ansprichst. Bedenke, dass dein Chef viel zu tun hat. Chefs haben eine ganze Reihe von eigenen Problemen und wollen oder brauchen keine weiteren Sorgen. Teile deine Probleme erst mit, wenn du solide Lösungen hast. Betrachte deine Diskussion mit deinem Chef als eine Bestätigung deiner generellen Richtung durch ihn. Dies wird deinen Ruf als Führungskraft stärken.

Sei professionell

Mitarbeiter werden eingestellt, damit das Leben bei der Arbeit einfacher wird. Also ist es klug zu lernen, wie man ein schwieriges Gespräch führt und wie man gegebenenfalls einen Streit entschärft.

Zur Professionalität gehört auch, wie schon angesprochen, Probleme nicht unter den Teppich zu kehren oder schönzureden. Führungskräfte wollen keine Nebelkerzen sehen. Sie wollen keine Mitarbeiter, die schlechte Nachrichten aufhübschen, nur damit ihnen (den Führungskräften) die Probleme irgendwann um die Ohren fliegen.

Das Timing ist wichtig

Timing bedeutet alles. Wähle den passenden Zeitpunkt, einen Konflikt mit dem Chef zu besprechen. Sprich mit deinem Chef nicht zu einem Zeitpunkt über den Konflikt, wenn du selber verärgert bist. Vorgesetzte wollen nicht mit Emotionen umgehen, also musst du dich erst beruhigen. Sprich erst dann mit deinem Chef, wenn du dich beruhigt hast. Wenn er gerade einen Rückschlag zu verkraften hat, ist das wahrscheinlich ebenfalls keine gute Idee, jetzt mit ihm zu sprechen. Vermeide es, Konflikte direkt vor dem Mittagessen anzusprechen, wenn der Hunger die Vernunft beeinträchtigt. Es ist auch keine so gute Idee, es kurz vor Feierabend oder am Freitagnachmittag zu machen.

Wenn dein Chef auf der anderen Seite gerade von einem gemütlichen Mittagessen zurückkommt oder besonders gesprächig ist, dann stehen die Chancen gut, dass keine Krisen auftauchen und du deine Situation in Ruhe besprechen kannst.

Wenn du es etwas subtiler machen möchtest, ist eine Einladung zum Mittagessen übrigens eine gute Sache. Zumindest meiner Erfahrung nach. Der Chef wird auch gerne mal eingeladen, das kommt wahrscheinlich nicht so oft vor. Das Mittagessen bietet eine zwanglose Atmosphäre in einer Umgebung. Dein Chef ist weniger gestresst. Du vielleicht auch. Er wird sich höchstwahrscheinlich eher auf deine Themen konzentrieren.

Bitte den Chef um Hilfe

Idealerweise gehst du mit einer ganz gelassen Haltung auf deinen Chef zu und lässt ihn wissen, dass du ein Problem hast, bei dem du Hilfe brauchst. Wenn es ein echter Notfall ist, bitte deinen Chef um einen Termin. Dann hast du Zeit, deine eigenen Gedanken vorher zu ordnen und dann darüber zu sprechen. Im Übrigen ist es ohnehin immer besser, ein Gespräch unter vier Augen zu führen und dich gut darauf vorzubereiten. Denn ein verzweifelter und möglicherweise emotionaler Austausch zwischen zwei Meetings wäre eher nicht zielführend. Und wie bei anderen Beziehungen auch, ist es keine schlechte Idee, wenn du dich ein bisschen zurückhält.

Es mag dir auch tatsächlich peinlich sein, dass du das Problem nicht lösen kannst. Da ist nichts Schlimmes dran. Es ist grundsätzlich nicht falsch, dass du um Rat fragst, wenn du ein Problem hast. Sprich es an, aber leite dich bitte nicht mit „Wir müssen reden“ ein.

Sei extrem gut vorbereitet

Ganz wichtig (und ich kann gar nicht genug betonen, wie wichtig es ist!): Wenn du deinen Chef wegen eines Konfliktes ansprichst oder womöglich den Konflikt, den du mit deinem Chef hast, dann ist es extrem wichtig, dass du super vorbereitet bist. Präsentiere Fakten. Versuche dich dabei wirklich von persönlichen Meinungen fernzuhalten:

  • Wie und wann ist der Konflikt entstanden?
  • Wer oder was hat ihn verschlimmert?
  • Wie wird die Beseitigung des Konflikts, die Motivation, die Moral usw. aller Beteiligten verbessert?

Je mehr objektive Informationen du hast, die deine Thesen unterstützen, desto besser. Deinem Chef zu sagen, dass du denkst, dass dein Kollege ein echter Idiot ist, ist viel weniger wirkungsvoll, als deinem Chef Beispiele zu bringen, die er nachvollziehen kann.

Halte deinen eigenen Hof sauber

Kehr erst mal ordentlich vor deiner eigenen Tür. Denn nachdem du dieses Gespräch mit deinem Chef geführt hast, solltest du wissen, wie der andere reagieren wird und was er über dich zu sagen hat. Wenn du dann „Leichen im Keller“ hast, über die dein Chef nichts weiß, ist das keine so gute Ausgangssituation mehr. Ist das aber der Fall, dann nütze die Gelegenheit auch, die Fehler zuzugeben.

Bedenke: Wann immer ein Konflikt auftaucht, ist in den seltensten Fällen eine Person zu 100 Prozent schuld. Jeder leistet einen Beitrag. Du musst herausfinden, was dein Beitrag war und wie groß er war. „Beitrag“ kann dabei bedeuten, dass man etwas getan hat, was man nicht hätte tun sollen, aber manchmal bedeutet es auch, dass man verabsäumt hat, etwas Bestimmtes zu tun. Wenn also ein Teil des Konfliktes, den du bei deinem Chef ansprichst, deine eigene Schuld ist, dann gib das sofort zu; er wird deine Ehrlichkeit zu schätzen wissen und wird dir darüber hinaus eher glauben.

Wie du mit den Ratschlägen deines Chefs umgehen solltest

So, der Konflikt ist angesprochen. Jetzt musst du natürlich bereit sein, Ratschläge des anderen zur Problemlösung anzunehmen. Vielleicht fällt es dir schwer, einen Rückzieher zu machen oder die andere Sichtweise einzunehmen, aber es ist wichtig. Bedanke dich bei deinem Chef für den Input und versuche wirklich, seinen oder ihren Vorschlag umzusetzen.

Abhängig von der Art des Konflikts wird dein Chef sich vielleicht selber ein Stück weit um die Lösung des Problems kümmern wollen. Gib ihm die Möglichkeit, die Kontrolle über eine schwierige Situation zu übernehmen und seine Fähigkeiten in diesem Bereich unter Beweis zu stellen. Sei nicht ungeduldig, sondern vertraue darauf, dass er oder sie bereits etwas hinter den Kulissen macht, auch wenn du nicht eingeweiht bist. Gib der Situation Zeit, sich zu beruhigen. Sollte es ein Dauerthema sein, kannst du ja jederzeit darauf zurückkommen.

Abschließender Gedanke zur Konfliktlösung

Denk dran, nicht alle Konflikte können sofort gelöst werden. Aber dein Chef kann dabei helfen. Die Lösung eines Konfliktes mag mühsam erscheinen, aber betrachte es doch als eine Bereicherung oder Herausforderung für dein Leben. Zu den schönsten Erfahrungen im Leben zählt es, wenn du es schaffst, einen Konflikt in etwas Positives zu verwandeln, also aus Zitronen Limonade zu machen. Das gilt auch für deinen Arbeitsplatz.

Höre dir hier den Podcast zum Artikel an.

Hier schreibt Kai Boyd
Mit jahrzehntelanger Erfahrung in Führungspositionen, darunter bei PricewaterhouseCoopers und Deutsche Telekom, Telefonica, deal united, Twilio und weg.de, hilft Kai Boyd Unternehmern und Einzelkämpfern, ihre Führungsfähigkeiten zu verbessern. Der Münchner und begeisterte Jogger bringt Expertise aus Konzernen, dem Mittelstand und Start-ups ein.

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