Streitpunkt Home-Office, 3 Punkte wie der optimale Einsatz von heute aussehen kann

In den Zeiten von Krisen sind die Firmen besser aufgestellt, die schon seit jeher Home-Office in das Arbeitsleben integriert haben. Ich sehe, dass das noch nicht viele sind.

Als wir 2016 auf Wunsch der Mitarbeiter die Möglichkeit des Home-Office einführen wollten, lief in Teilen mein Management Sturm. Kürzlich, während eines Workshops bei einem Kunden, wünschten sich auch hier die Führungskräfte verbindliche Anwesenheitszeiten (Kernarbeitszeit).

Wie verrückt ist das denn? Man kann viel mehr gewinnen, wenn man Home-Office richtig einsetzt. Wenn man ein paar Punkte beachtet.

Seit wann gibt es überhaupt das Home-Office und warum wurde es eingeführt?

Jack Nilles gilt als der Erfinder. Er arbeitete 1973 an der USC (University of Southern California), eine Universität mit vielen Kontakten in die Wirtschaft. So auch zu einer Versicherungsgesellschaft. Diese Versicherungsgesellschaft interessierte sich zuerst nicht für seine verrückte Idee der Telearbeitsplätze, also Arbeitsplätze abseits des eigentlichen Büros, einzuführen. Sie waren allerdings sehr daran interessiert, die Fluktuationsrate ihrer Mitarbeiter, die bei etwa einem Drittel lag, zu reduzieren und die Kosten für teure Büros zu senken.

Sie mussten jedes Jahr neue Mitarbeiter einstellen, von denen die meisten Mitarbeiter in der Datenerfassung angestellt waren. Es gab zwei Probleme, denn die Büros in der Innenstadt von L.A. wurden immer teurer (so auch der Wohnraum). In der Folge mussten die Mitarbeiter immer größere Distanzen pendeln. Also schlug Jack vor,  dass sie besser Büros in der Nähe der künftigen Angestellten, außerhalb von L.A., gründen sollten.

Es wäre 1973 zu teuer gewesen, den Mitarbeiter zu Hause Computer zu geben.

Damals hatte man hauptsächlich gigantische Terminals, die nur mit einer sehr langsamen Datenverbindung angeschlossen werden konnten. Die Kosten für die Datenübertragung wären riesig gewesen.

Aber wenn die Mitarbeiter zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem Bus zu einer nahen Außenstelle fernab von L.A. kämen, könnten sie einen Minicomputer verwenden. Die Datenübertragung kann dann nachts erfolgen. Das hatte das Problem gelöst.

Die Produktivität dieser Mitarbeiter stieg um 18%, die Fluktuationsrate ging auf Null. Der erste Telearbeitsplatz war erfunden.

Wie kann man beim Arbeiten im Home-Office erfolgreich sein –  egal ob Du bereits im Home-Office arbeitest oder darüber nachdenkst ein solches Programm einzuführen, hier sind ein paar Dinge, die Du berücksichtigen solltest.

1. Kommunikation ist das Wichtigste

Technologisch gesehen kannst du bereits seit Jahren mit anderen Menschen über nahezu jede Distanz interagieren. In meiner letzten Firma, die über vier Standorte verteilt war, haben wir z.B. erfolgreich zoom eingeführt. Zoom begleitet mich seitdem überall. Auch als Berater setzte ich es erfolgreiche in.

Erster Trugschluss: ein persönliches Treffen ist nicht mehr notwendig.

Denn die Interaktion auf Distanz ist im Allgemeinen viel schwieriger als die Kommunikation von Angesicht zu Angesicht – und das vergessen wir manchmal.

Es fehlen z. B. die wichtigen informellen Gespräche auf den Fluren oder in den Büros. Es fehlen auch alle Hinweise zur Körpersprache, die bei persönlichen Treffen auftreten. Mitarbeiter können am Telefon und auch per Video die Gefühle von Frustration, Hochgefühl oder Verwirrung, die eine bestimmte Situation begleiten können, nicht wahrnehmen.

Kurz gesagt, Home-Office-Mitarbeiter haben ein ziemlich begrenztes und zweidimensionales Fenster.

Die Organisationen und die Kommunikation muss sich von „Beobachtung zu Erkundung“ verlagern.

Mit anderen Worten, statt anzunehmen dass deine Mitarbeiter schon mitbekommen werden, was wichtig ist (und das geht nicht, wenn sie nicht physisch anwesend sind), musst du eine Menge von Werkzeugen anbieten. Dann bleiben deine Kollegen auch auf dem Laufenden

  •  IM,
  •  Video- / Web-Meetings,
  •  Cloud-basierte Projektmanagement- und Collaboration-Tools um nur einige zu nennen.

Du als Führungskraft musst deine Verhaltensweisen ändern 

und bei den Mitarbeitern den Teil “Erkundung” fördern. Was ist damit gemeint? Du musst proaktiv & regelmäßig deine Home-Office Mitarbeiter kontaktieren, um wichtige Informationen auszutauschen. Deine Mitarbeiter am anderen Ende der Leitung müssen ermutigt werden, Fragen zu stellen, wenn sie etwas nicht verstehen. Machst du das schon? Prima!

Mit anderen Worten, du musst aktiv das Phänomen des “Aus den Augen, aus dem Sinn” überwinden, das es deinen Home-Office-Mitarbeitern erschweren kann, als erfolgreicher, integrierter Teil des Teams zu arbeiten.

2. Die Isolation erkennen und überwinden

Mitarbeiter und Organisation neigen dazu, die Vorteile zu überbewerten und die Herausforderungen zu unterschätzen.

Während die Vorteile erheblich sein können –

  •  reduzierte Kosten, insbesondere für Büroflächen,
  •  höhere Moral,
  •  erhöhte Produktivität,

sind die Herausforderungen gewaltig. Wer schon selbst im Home-Office gearbeitet hat, weiß, dass zusätzlich zu den oben erwähnten Kommunikationsproblemen, eine der Hauptschwierigkeiten des Home-Office das Gefühl der Isolation ist.

Du bist ein soziales Wesen. Im Allgemeinen fühlst und arbeitest du besser, wenn du mit anderen Menschen zusammen bist. Gespräche und Videokonferenzen können helfen, dieses Problem zu lösen, aber du musst als Führungskraft mehr tun.

Am wirkungsvollsten überwindest du die Isolation von Home-Office, indem du die Menschen persönlich zusammenbringst.

Ist dir zu teuer? Ich kann dir aus Erfahrung sagen, die Vorteile sind enorm. Als einer der Geschäftsführer der beiden Firmen, Comvel GmbH und tropo GmbH, hatte ich eine Hauptniederlassung in München, eine Hauptniederlassung in Hamburg und jeweils eine Außenstelle in Köln und Leipzig.

Wir brachten jedes Jahr mindestens einmal alle zu einem persönlichen Treffen zusammen, eine Kombination aus Arbeit und Spaß.

Und ja, es war teuer. Aber wir haben festgestellt, dass diese Gelegenheiten, eine tiefere Bindung, ein Gefühl von “uns” schafft, das es uns ermöglichte, den Rest des Jahres effizienter und besser zusammenzuarbeiten. Hier kannst du nachlesen, warum z.B. ein Kick-off super sinnvoll ist.

3. Unterstützung der Selbstorganisation

Du vergisst manchmal, dass im Home-Office niemand da ist, um zu sehen, was deine Mitarbeiter tun… dabei weißt du doch, dass jeder im Home-Office oft von Ablenkungen umgeben ist.

Wenn Du von zu Hause aus arbeitest, kann

  •  deine Umgebung,
  •  Kinder,
  •  Haustiere,
  •  dein Partner
  •  sogar Nachbarn

dich ablenken – ganz zu schweigen vom Fernseher und dem Kühlschrank.

Wenn du also nicht extrem konzentriert und organisiert bist, kann es schwierig sein, so produktiv zu sein wie in einem Büro voller Kollegen.

Dabei hilft es Schulungen zu Zeitmanagement und Priorisierung anzubieten und sicherzustellen, dass du als Führungskraft deine Mitarbeiter dabei unterstützt, das Gelernte zu nutzen.

Du musst neue Wege finden, um die Produktivität zu messen: Die meisten Menschen sind motiviert, weil sie Feedback erhalten, dass sie gute Arbeit leisten.

Es ist schwieriger, Feedback zu erhalten, wenn du im Home-Office arbeitest. Ein Teil des Problems ist, dass es schwieriger ist, “gut” für Home-Office Arbeit zu messen – viele Standardmaße der Produktivität beziehen nämlich physische Präsenz mit ein:

  •  pünktlich zur Arbeit zu gehen,
  •  X Stunden zu arbeiten,
  •  auf persönliche Anfragen sofort zu reagieren.

Unternehmen mit Home-Office-Programmen müssen ergebnisorientierte Aufgaben erstellen: Prozentsatz der Aufgaben, die pünktlich erledigt werden oder Steigerung der Kundenzufriedenheit.

Die Erstellung dieser Produktivitätsmessgrößen außerhalb der gängigen Arbeitszeit ist für die Arbeitsmoral deiner Mitarbeitern von entscheidender Bedeutung und ermöglicht es Dir, sowohl die Effektivität deines Home-Office-Arbeitsprogramms zu messen als auch Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie es sich verbessern lässt.

Allerdings sind alle diese Ideen und Ansätze auch auf „normale“ Arbeitsplätze anwendbar.

Der Coronavirus hat uns gezeigt, in welcher Geschwindigkeit wir heute reagieren müssen. Wie sich unser Arbeitsleben rasanter denn je verändert.

Wir sind immer mehr auf Technologie angewiesen, um Arbeit zu leisten.

Wir müssen uns unserer Kommunikation stärker bewusst werden – organisierter und fokussierter und vor allem klarer darüber, wie meßbarer Erfolg aussieht.

Welche Erfahrungen hast du mit Home-Office gemacht? Als Führungskraft und auch als Mitarbeiter?

Dieser Artikel basierte auf dem Podcast „Dein Team, Deine Pflicht“. Um diese und viele andere Episoden zu hören, kannst du den Dein-Team-Deine-Pflicht Podcast abonnieren.

Hier schreibt Kai Boyd
Mit jahrzehntelanger Erfahrung in Führungspositionen, darunter bei PricewaterhouseCoopers und Deutsche Telekom, Telefonica, deal united, Twilio und weg.de, hilft Kai Boyd Unternehmern und Einzelkämpfern, ihre Führungsfähigkeiten zu verbessern. Der Münchner und begeisterte Jogger bringt Expertise aus Konzernen, dem Mittelstand und Start-ups ein.

Ähnliche Artikel

Warum nerven dich Leute, die „langsam“ sind? Oder warum kommst du mit Leuten, die sich im Job anstrengen,...