Virtuelle Teams führen – eine Herausforderung der anderen Art

Corona, Krise, Lockdown – plötzlich musste im Frühjahr 2020 alles ganz schnell gehen. Da wurde aus »Nichts geht ohne Präsenzarbeit« im Handumdrehen »Home Office ist die Zukunft.« Die technischen Herausforderungen waren das eine. Die kommunikative Ebene und die Ebene der Führung waren und sind eine ganz andere Sache.

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Laut einer Befragung im Rahmen von Corona ist es für viele Mitarbeiter nicht nur vorstellbar, sondern sogar wünschenswert, häufiger ihre Arbeit von zu Hause aus erledigen zu können. Auch die Führungskräfte sind einverstanden. Gleichzeitig sind sie aber in der Mehrzahl der Fälle eher unzufrieden, was die Produktivität der Teams angeht.

Wenn du als Führungskraft eines virtuellen Teams diese Stolpersteine beachtest und sie auch noch umschiffen kannst, steht deiner erfolgreichen Zukunft im Unternehmen nichts im Wege:

Das Vertrauen

Hand auf’s Herz: Vertraust du deinen Mitarbeitern? Denkst du, dass sie zu Hause ihre Arbeit erledigen und sich an die gesteckten Ziele halten? Oder denkst du, dass sie lange schlafen, mit den Kindern spielen und ihren Haushalt optimieren und den Garten verschönern?

Hier gilt: Reden hilft. Du musst dem Mitarbeiter nicht deine Zweifel anmelden. Vorbeugen ist besser als nacharbeiten. Wenn du über klare Ziele arbeitest, häufig mal einen Check-In machst, gibt es kein Problem. Denn dein Mitarbeiter weiß, dass du du für ihn da bist, wenn er dich braucht.

Teamgeist auch ohne Bürotratsch

Bürotratsch und Flurfunk sind zwei wesentliche Elemente, die jeder für sein Team gerne verneinen würde. Tatsache ist aber: Genau das sorgt nicht nur für einen relativ einheitlichen Informationsstand – schließlich wird da ja nicht nur das zweifelhafte Outfit von Kollege B. besprochen – sondern letzten Endes auch für ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das keine Zoom-Konferenz der Welt herstellen kann.

Gute und relativ engmaschige Kommunikation ist daher das A und O guter Teamkultur und das gilt für virtuelle Teams noch mehr als für vor Ort arbeitende Teams. Team-Meetings, idealerweise per Video, sind da ein Muss. So können sich die Kollegen zumindest regelmäßig sehen.

Wichtig ist aber auch deine Rolle als Führungskraft in der Kommunikation. Achte darauf, dass du dich mit jedem Teammitglied auch einzeln unterhältst. Frage in diesem Zusammenhang auch unbedingt nach privaten Dingen. Denn so ein Lockdown ist für viele Menschen eine echte Herausforderung. Da ist die Familie ganz anders aufgestellt und man kann eben nicht einfach ins Büro fahren und hat für ein paar Stunden seine Ruhe. Erkundige dich daher auch ruhig einmal danach, wie es dem Mitarbeiter geht. Mach auch unbedingt klar, dass du jederzeit ansprechbar bist.

Motivation stärken

In Zeiten allgemeiner Unsicherheit und vielfacher Überforderung, alles unter einen Hut zu bringen, kann die Motivation zur Arbeit ganz schnell nachlassen.

Dem solltest du mit größeren Freiheiten der Mitarbeiter begegnen. Was spricht dagegen, dass deine Mitarbeiter zwar ihre Zeit arbeiten sollen, aber nicht an feste Zeiten gebunden sind? Ob dein Mitarbeiter dann arbeitet, wenn die Kinder im Kindergarten oder in der Schule sind oder ob er die Kinder betreut und dann eben bis deutlich später arbeitet, spielt in der Regel keine große Rolle. Wichtig ist, dass die Arbeit getan wird. Du als Führungskraft hast nichts davon, wenn du von einer Dreifachmutter oder -vater verlangst, neben drei brüllenden Kindern konzentriert zu arbeiten. Auch hier gilt: Kommunikation ist alles. Besprich ganz klar, dass du erwartest, dass die Arbeit getan wird. Team-Meetings sind von solchen Regelungen natürlich ausgenommen.

Das Wir-Gefühl stärken

Dadurch, dass sich die Mitarbeiter nicht mehr sehen, fühlen sie sich weniger miteinander, aber auch weniger mit der Firma verbunden. Wie wäre es, wenn du diesem mangelhaften Wir-Gefühl mit einer gemeinsamen virtuellen Video-Kaffeepause begegnest? In dieser Zeit wird nicht über die Projekte gesprochen, sondern eher über Privates. Wie in einer echten Kaffeepause eben.

Nimm Ängste ernst

Die aktuelle Situation und dazu noch die allgemeine Entfremdung der Kollegen sorgt bei manchen Menschen für wirkliche Angst. Da ist es nicht hilfreich, auf Arbeit und Motivation zu pochen. Denn genau diese sinkt ja durch die Ängste. Du als gute Führungskraft solltest die Ängste ernst nehmen. Frag doch deinen Mitarbeiter einfach einmal, was du tun kannst, damit er sich sicherer fühlt. Damit rechnet auf den ersten Blick tatsächlich niemand und wer weiß, vielleicht erfährst du wirklich etwas, was du von deiner Seite aus verbessern kannst.

Ganz wichtig in einem solchen Gespräch: Es muss klar werden, dass du mit den Informationen vertraulich umgehen wirst. Gestehe ruhig auch einmal Fehler deinerseits ein. Denn auch das macht eine gute Führungskraft aus. Wenn du dich als großen Helden auf einen Sockel stellst, wird sich dir niemand öffnen.

Reduziere Technik auf ein notwendiges Maß

Wenn deine Mitarbeiter sich im Büro an den Computer setzen, gibt es diese bestimmte Programme, mit denen sie zu arbeiten haben. Arbeiten sie im Home Office, kommen plötzlich noch zehn weitere Tools und Anwendungen hinzu. Das überfordert nicht nur, sondern demotiviert auch. Alles muss an hundert Stellen eingetragen werden.

Bevor du dich für ein System entscheidest, überlege dir, was du wirklich brauchst. Es ist ein Kennzeichen einer guten Führungskraft, überlegt zu handeln. Sag nicht einfach zu allem ja, was dir angetragen wird. Bitte um Bedenkzeit in Maßen und entscheide dann, was wirklich gebraucht wird und was technische Spielerei ist.

Willkommen an Bord

Gerade Menschen, die gerne mit einem bestimmten Rhythmus arbeiten, haben oft Probleme, sich in ein neues Umfeld einzufinden. Das gilt auch für das Home Office. Plötzlich muss man sich alleine organisieren und die Arbeit soll bitte genauso gut wie im Büro erledigt werden. Dazu kommen noch neue Tools, die bedient werden müssen. Sorge dafür, dass deine Mitarbeiter wissen, dass sie sich mit Fragen jederzeit an dich wenden können. Es gibt auch für langjährige Mitarbeiter keine dummen Fragen. Es kann sein, dass du gerade am Anfang eines rein virtuellen Teams als Führungskraft stärker gefragt bist – die verbesserten Ergebnisse sollten dir aber alle Mühe wert sein.

Fazit: Virtuelle Teams werden uns sicher noch eine ganze Zeit begleiten. Da ist es wichtig, dass du dir deines Führungsstils bewusst wirst. Letzten Endes kannst du aber gerade durch virtuelle Teams, die häufig international arbeiten können, wirklich gute Ergebnisse erzielen.

Hier schreibt Kai Boyd
Mit jahrzehntelanger Erfahrung in Führungspositionen, darunter bei PricewaterhouseCoopers und Deutsche Telekom, Telefonica, deal united, Twilio und weg.de, hilft Kai Boyd Unternehmern und Einzelkämpfern, ihre Führungsfähigkeiten zu verbessern. Der Münchner und begeisterte Jogger bringt Expertise aus Konzernen, dem Mittelstand und Start-ups ein.

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