Remote führen: Das Home-Office

In Deutschland arbeiten immer mehr Menschen im Home-Office und Führungskräfte müssen nun Remote führen. Nicht nur, weil ein Kollege plötzlich positiv auf den Corona Virus getestet wurde, sondern einfach um die Verbreitung des Virus weiterhin zu reduzieren.

Und ich glaube auch, dass das richtig so ist.

Gut ist, wer bis jetzt schon immer Home-Office gearbeitet hat oder wer gute Erfahrungen oder überhaupt Erfahrung mit Home-Office hat, wer diesen Weg bereits gegangen ist. Jede Führungskraft, die aus dem Home-Office heraus Remote führen kann, ist nun gefragt.

Ich fürchte, das werden nicht allzu viele sein.

Denn die meisten Vorgesetzten – da gehörst du vielleicht auch dazu, die schauen den Mitarbeitern am liebsten über die Schultern. Ich erinnere mich noch – das kannst du hier nachlesen, wenn du es noch nicht kennst (+ Verlinkung zu Beitrag) – immer wenn ich versucht habe, in Firmen Home-Office einzuführen, ist das mittlere Management Sturm gelaufen.

Es wurde immer das Chaos prophezeit, das eintreten wird, weil ja Mitarbeiter per se faul sind und ohne Überwachung gar nicht arbeiten würden.

Dass ich das nicht glaube und dass das höchstwahrscheinlich nicht stimmt, also meiner Erfahrung nach nicht stimmt, das weißt du ja inzwischen.

Allerdings muss ich sagen, ein Team aus dem Home-Office zu führen, das ist die ganz hohe Management Schule.

Das ist nicht nur die Pflicht, das ist die Kür.

Und die beherrschen wirklich nur wenige. Damit du aber dazu gehörst – besonders weil du jetzt ins kalte Wasser geschubst wurdest von deinem Arbeitgeber oder von deinem Vorgesetzten und jetzt ein Team nicht nur aus dem Homeoffice, sondern aus dem Homeoffice im Homeoffice führen musst,  werde ich dir gerne ein paar Tipps geben.

Das Allerwichtigste ist, dass du Regeln vereinbaren musst.

Du musst dich mit deinen Mitarbeitern auseinandersetzen. Wie soll denn das funktionieren? Warum ist es notwendig?

Es fehlt der direkte Kontakt. Die Körpersprache und auch das Korrektiv des Teams fehlt. Du musst also deine Erwartungshaltung klipp und klar mitteilen. Wenn der Mitarbeiter nicht weiß was du erwartest, dann ist die Frustration auf beiden Seiten vorprogrammiert.

Ein Dialog kann dann wie folgt aussehen:

„Warum lieferst du nicht?“

Und der Mitarbeiter sagt:“Warum hast du mir denn mir nicht gesagt, wann ich liefern soll?“

Du musst nun noch klarer deine Erwartungshaltung kommunizieren – weil der Mitarbeiter viel weniger Möglichkeiten hat nachzufragen und du nicht mal einfach vorbei gehen kannst, um zu schauen, wo dein Auftrag gerade so steht.

Eine Kern-Verfügbarkeit sollte vereinbart werden

Das ist deshalb wichtig, weil du weißt, wenn ich anrufe, dann bekomme ich meinen Mitarbeiter auch noch an die Strippe. Du musst ja wirklich berücksichtigen, dass er höchstwahrscheinlich jetzt in dieser Situation – das ist ja nicht das normale Homeoffice – in dieser Situation gegebenenfalls nicht alleine zuhause ist. Es könnte der Partner mit zuhause sein, der auch im Home-Office arbeiten muss. Es könnten die Kinder sein, die ebenfalls zuhause gefangen sind, weil die Schule geschlossen hat.

All diese Dinge sind ja eher nicht normal. Das ist zumindest das, was ich mit meinen Mitarbeitern letzte Woche vereinbart habe, als wir alle Büros weltweit geschlossen haben.

Und die Arbeitszeit kann sogar individuell verschieden sein. Das kommt auf die Lebenssituation deines Mitarbeiters an.

Über welche Wege soll Remote kommuniziert werden und auch wie?

Wir nutzen Slack. Wir sind ein Tech-Unternehmen, in dem ich momentan beratend tätig bin. Wir brauchen also nicht WhatsApp oder iMessage, obwohl es Kollegen gibt, mit denen ich tatsächlich auch manchmal über iMessage kommuniziere. Aber das liegt eher daran, dass öfter das Handy benutzt wird, wenn es darum geht, sich auszutauschen.

Also Slack ist gut, iMessages ist gut, WhatsApp ist gut.

Du kannst eigene Gruppen anlegen, du kannst geschlossene Gruppen anlegen.

Erwartungshaltung im Home-Office zur Erreichbarkeit

Du musst definieren, was für eine Antwort-Zeit erwartest du denn? Und wie möchtest du reagieren?

  •  E-Mails 24 Stunden,
  •  iMessage 15 Minuten,
  •  Slack sofort.
  •  Und so weiter.

Auf jeden Fall: finde eine klare Regel, eine Vereinbarung mit deinem Mitarbeiter. Remote zu führen bedeutet, dass du Vertrauen lernen musst. Du musst lernen, loszulassen. Wenn du das bisher nicht konntest, dann ist jetzt der Zeitpunkt gekommen. Denn aus der Nummer kommst du nämlich nicht mehr raus.

Anwesenheit ist kein Indikator für die Qualität der Arbeit deiner Mitarbeiter.

Solltest du das bis jetzt noch nicht so gesehen haben – jetzt bleibt ja nichts anderes mehr übrig.

Du wirst deine Mitarbeiter nicht im zeitlichen Rahmen überwachen können. Du wirst nicht kurzfristig auf deine Mitarbeiter zugreifen können. Du wirst nicht, wenn du eine Frage hast, sofort eine Antwort bekommen, weil du nicht mehr ins Büro nach nebenan gehen und jemanden unterbrechen kannst.

Das wird nicht mehr möglich sein.

Die Art und Weise, wie du mit deinen Mitarbeitern arbeiten musst, ist höchstwahrscheinlich Führen durch Auftrag.

  •  Du gibst einen Auftrag,
  •  setzt den Rahmen,
  •  gibst einen Zeitraum vor und
  •  bekommst dann das Ergebnis.

Selbstverständlich gelten auch hier die Regeln der Delegation.

Natürlich braucht es mehr sogenannte Touch Points bei einem Junior-Mitarbeiter als bei einem Senior-Mitarbeiter, den du völlig alleine arbeiten lassen kannst und zum Schluss nur das Ergebnis in Empfang nimmst .

Ich werde dir in einem weiteren Podcast einmal erklären, wie die Regeln der Delegation denn im Homeoffice, also in der Quarantäne, funktionieren.

Hier geht es um Output.

Die Leistung muss gemessen werden, und hier geht’s wirklich um den Output. Du musst ziemlich präzise sein in dem, was du haben möchtest, vielleicht sogar weniger Spielraum für Interpretationen lassen, weil du nicht die Möglichkeit hast, in laufende Prozesse einzugreifen.

Und glaub mir, wenn du das mal ein paar Wochen gemacht hast und diese Home-Office Situation und das Remote führen wird sicherlich länger dauern, dann wird es viel, viel einfacher, wenn alle dann wieder zurück ins Büro gehen.

Mitarbeiter ohne permanente Anwesenheit brauchen Führung und Ansprache.

Jedenfalls viel mehr als sonst. Man kann nicht zu viel kommunizieren, das ist ganz, ganz wichtig. Das Daily würde ich noch mehr intensivieren. Beim Daily wird sich jeden Morgen kurz im Team zusammengesetzt – ich bin ein großer Fan davon.

  •  Was ist mein wichtigstes Anliegen?
  •  Wo habe ich ein Problem?
  •  Und hierbei können die Probleme jetzt noch mehr privater Natur sein.

Das musst du wissen:

Ab jetzt ist jede Kommunikation zweidimensional und die Körpersprache kann nicht mehr mit berücksichtigt werden. Zwischenmenschliche Beziehungen sind extrem wichtig.

Wie macht man das jetzt?

Regelmäßige persönliche Treffen – sagte ich ja in meinem Blogpost zu Home-Office – sollte man machen. Aber das geht in dieser Situation nicht mehr.

Videokonferenzen könnte natürlich etwas sein, das dir helfen kann. Führe auf jeden Fall jede Woche mit jedem Mitarbeiter ein One-to-One durch, spricht auch über das Private.

Du musst dich für deine Mitarbeiter, nicht nur alleine wegen deiner Fürsorgepflicht, interessieren. Und zwar auch diesmal für das Private. Das geht jetzt über das Arbeiten hinaus.

Wie gesagt, es ist wichtig zu wissen:

  •  Wohnen die Großeltern mit im Haus?
  •  Sind die Kinder in der Schule oder nicht?
  •  Ist auch ihr Partner hier?
  •  Was ist eigentlich wichtig?
  •  Was sind die Routinen?
  •  Ist dein Mitarbeiter ein Morgenmensch oder ein Abendmensch?
  •  Wann isst er eigentlich zu Mittag?

Das sind alles Dinge, die dir jetzt helfen, die Zusammenarbeit zu regeln, denn deine Mitarbeiter sind ganz unterschiedlich. Das wusstest du vielleicht schon vorher. Jetzt wirst du sehen, wie unterschiedlich dein Team denn wirklich ist.

Nutz diese Situation als Chance.

Es mag sich so anfühlen, als ob du jetzt gezwungen wirst Remote zu führen und im Home-Office zu arbeiten. Du wirst jetzt gezwungen, aus deinem Team ein High Performing Team zu machen, einfach aus der Not heraus.

Denke daran:

  •  Du wirst Fehler dabei machen.
  •  Deine Mitarbeiter werden Fehler dabei machen.
  •  Das ist nicht schlimm, solange du aus diesen Fehlern lernst.

Am Ende, nach ein, zwei Monaten dieser Home-Office Situation und des Remoteführens – und solange würde ich mich mindestens schon darauf einrichten – wirst du feststellen, wie gut das Zusammenarbeiten auf Distanz doch funktioniert.

Sofern du diese Regeln, diese Tipps, die ich dir gegeben habe, berücksichtigst. Du wirst feststellen, dass, wenn ihr dann wieder in der Situation seid, dass ihr an einem Ort physisch  zusammenarbeitet, viele Dinge nonverbal funktionieren werden – alleine weil das Vertrauen plötzlich vorhanden ist – das ist nämlich in dieser Zeit höchstwahrscheinlich sehr gewachsen.

Eine Sache möchte ich dir noch mit auf den Weg geben: es wird sicherlich das eine oder andere Mal knallen und da solltest du Ruhe bewahren.

Warum? Es ist für alle eine stressige und ungewohnte Situation.

Dieser Artikel basierte auf dem Podcast „Dein Team, Deine Pflicht“. Um diese und viele andere Episoden zu hören, kannst du den Podcast abonnieren.

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Hier schreibt Kai Boyd
Mit jahrzehntelanger Erfahrung in Führungspositionen, darunter bei PricewaterhouseCoopers und Deutsche Telekom, Telefonica, deal united, Twilio und weg.de, hilft Kai Boyd Unternehmern und Einzelkämpfern, ihre Führungsfähigkeiten zu verbessern. Der Münchner und begeisterte Jogger bringt Expertise aus Konzernen, dem Mittelstand und Start-ups ein.

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