Ein schwieriges Gespräch führen

Jeder kennt es – keiner mag es: ein schwieriges Gespräch. Tatsache ist: Jeder, der mit Menschen zu tun hat, sei es beruflich oder privat, kommt tagtäglich in Situationen, in denen er Dinge ansprechen muss oder Gespräche führen muss, die ihn schon im Vorfeld mit Frustration oder Angst belegen. Aber warum ist das eigentlich so?

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Warum haben wir vor bestimmten Gesprächen Angst oder sind schon von vornherein frustriert?

Meistens liegt es daran, dass wir Angst haben, unser Gesicht zu verlieren oder unseren eigenen Standpunkt zu großen Teilen aufgeben zu müssen. Unser Gegenüber könnte uns mit Tatsachen konfrontieren, die wir zuvor nicht bedacht haben. Unsere gesamte Position könnte ins Schwanken geraten und die »Machtverhältnisse« könnten nachhaltig verändert werden. Es könnte aber auch sein, dass wir vermuten, dass das Gespräch zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis führen wird. Dennoch ist ein schwieriges Gespräch unumgänglich und das frustriert uns.

Gerade als Führungskraft kennst du solche Situationen sicher hinlänglich. Denn je größer die Verantwortung ist, desto wichtiger ist es, dass ein schwieriges Gespräch mit Mitarbeitern und auch Vorgesetzten gelingen, dass sie produktiv sind und vor allen Dingen, dass du dich an sie herantraust.

Die Bestandteile schwieriger Gespräche

Ein schwieriges Gespräch basiert auf den immer gleichen Bestandteilen. Wenn du diese verstehst, wird dir auch die Lösung des Problems geradezu logisch erscheinen.

Unterschiedliche Wahrnehmungen

Unsere Wirklichkeit besteht tatsächlich aus unserer eigenen Wahrnehmung dessen, was ist. Allein diese Erkenntnis legt schon nahe, dass es so viele Wirklichkeiten wie Menschen gibt. Eine richtige Wirklichkeit, die absolute Wahrheit wird es also niemals geben. In einem schwierigen Gespräch besteht eins der Probleme meist darin, dass zwei oder mehr Menschen ein und dieselbe Situation unterschiedlich wahrnehmen. Jeder denkt natürlich, dass er die einzige Person ist, die es richtig versteht. Das Gegenüber muss logischerweise falsch liegen. Man selbst sieht sich selbstverständlich nicht als Teil des Problems. Die Schwierigkeit besteht jetzt darin, zu verstehen, dass beide Standpunkte auf ihre Weise Sinn ergeben. Die unterschiedlichen Wahrnehmungen einer Situation kommen dadurch zustande, dass

  • unterschiedliche Informationen über eine Angelegenheit oder Entscheidung existieren.
  • unterschiedliche Interpretationen über eine Angelegenheit oder Entscheidung vorliegen,
  • die ihrerseits durch unterschiedliche Lebenserfahrungen hervorgerufen werden. Diese Lebenserfahrungen formen die Art und Weise, wie wir Dinge betrachten und empfinden.
  • Unterschiedliche Kenntnisstände über eine Angelegenheit oder Entscheidung: Das ist besonders für dich als Führungskraft wichtig, wenn du mit Mitarbeitern sprichst, die aufgrund ihrer Position nicht die gleichen Kenntnisse wie du haben können.

Vorannahmen über eine Absicht

Gerade in schwierigen Situationen gehen wir gerne davon aus, dass wir genau wissen, welche Absichten unser Gegenüber verfolgt. Aber Absichten existieren nur in den Herzen und Köpfen der Menschen. Solange wir nicht darüber sprechen, kann kein anderer Mensch wissen oder ahnen, warum wir etwas wirklich tun.

Es ist nur natürlich, Annahmen über die Absichten unseres Gegenübers zu treffen, die ihrerseits darauf basieren, welchen Einfluss dessen Handlungen auf uns selbst haben.

  • Wir sind verletzt und deshalb gehen wir davon aus, dass genau das die Absicht des anderen war.
  • Wir fühlen uns schwach, daher vermuten wir, dass der andere uns schwächen wollte.

Unsere Gedanken laufen aber so automatisch ab, dass wir uns nicht einmal bewusst darüber sind, dass unsere Schlussfolgerungen letztlich nur Vorannahmen sind.

Gefühle

Es gibt Situationen, in denen wir so emotional sind, dass unsere Gefühle unsere Fähigkeit zu denken, Probleme zu lösen und sogar angemessen zu kommunizieren beeinflussen. Wenn wir sehr aufgebracht sind und daher nicht angemessen kommuniziert haben, ist es sogar so, dass wir nicht einmal in der Lage sind, zuzuhören. In vielen Konfliktsituationen bilden Gefühle den Kern der Angelegenheit. Sie sind die Grundlage, selbst wenn sie von anderen Symptomen überlagert werden. Unausgedrückte Gefühle können jede Situation noch verschärfen. Sie können sich in Form von Sarkasmus, passiver Aggression, Ungeduld und anderen Erscheinungsformen zeigen.

Schuld und Vorwürfe

Es ist nur typisch für Menschen, sich in einer Konfliktsituation nach der Schuldfrage umzusehen. Die Fragen, die wir uns selbst oder anderen stellen, können lauten:

  • Wer ist hier der Böse?
  • Wer hat einen Fehler begangen?
  • Wer sollte sich entschuldigen?
  • Wer ist hier stur oder unwillig?

Sich auf die Schuldfrage zu fokussieren, ist leider sehr ineffektiv, weil sie unsere Fähigkeit hemmt, zu verstehen, was das Problem wirklich verursacht hat und alles Wesentliche dazu beizutragen, die Situation aufzulösen. Schuld und Vorwürfe drehen sich um Verurteilung, während effektives Konfliktmanagement sich damit beschäftigt, aus Fehlern zu lernen, unterschiedliche Wahrnehmungen einer Situation aufzunehmen und sein eigenes Verhalten in einer Weise anzupassen, dass in der Zukunft bessere Ergebnisse erzielt werden können.

Werkzeuge, um sich in ein schwieriges Gespräch effektiv einzubringen

Natürlich gibt es auch Mittel und Möglichkeiten, wie du schwierige Gespräche in einer Weise führen kannst, dass nicht nur dein Gegenüber, sondern auch du selbst am Ende gut dastehst.

1. Gestalte eine sichere Gesprächsatmosphäre

Eine sichere Gesprächsatmosphäre zeichnet sich dadurch aus, dass beide Parteien sich gut damit fühlen, ihre Gedanken und Gefühle auszusprechen, ohne negative Auswirkungen befürchten zu müssen und ohne sich bedroht zu fühlen. Du kannst eine solche Gesprächsatmosphäre aufkommen lassen, indem du eine beiderseitige Absicht unterstellst: Du solltest dich um die Interessen des anderen ebenso kümmern wie um deine eigenen.

gegenseitigen Respekt anbietest: Sobald jemand sich in einer Konversation respektlos verhält, geht es nicht länger um den eigentlichen Punkt – es geht dann nur noch darum, die eigene Würde zu verteidigen. Sobald jemand deine Absichten falsch interpretiert, benutze ein gegenteiliges Statement. Ein solches gegenteiliges Statement zeichnet sich dadurch aus, dass du zunächst eine Nachricht sendest, die klarstellt, was du nicht tun willst oder beabsichtigst und dann eine weitere Nachricht sendest, die verdeutlicht, was du stattdessen senden wolltest.

2. Höre zu

Der Satz »Versuche zuerst zu verstehen und dann verstanden zu werden« sollte in Stein gemeißelt werden. Die Tatsache, dass wir Dinge unterschiedlich wahrnehmen und dass wir Vorannahmen treffen, sorgt dafür, dass wir uns erstmal in eine Situation versetzen müssen, in der wir zuhören können und wirklich hören können, wie die andere Person die Situation sieht und was ihre wirklichen Absichten sind. Gutes Zuhören in einer Konfliktsituation bedarf offene und ehrliche Neugier für die andere Person und Willen und Fähigkeit, den Fokus auf dem anderen zu belassen.

Du solltest diese Fähigkeiten dazu einsetzen, ein wirklich guter Zuhörer zu werden:

  • Vergiss die Worte, konzentriere dich auf Authentizität. Das bedeutet, dass duzuhörst, weil es dich interessiert, was der andere sagen möchte und nicht, weil du es halt musst.
  • Höre auf deine eigene innere Stimme. Wenn du dein Gegenüber wirklich verstehen willst, solltest du in der Lage sein, auszudrücken, was in dir selbst vorgeht. Du könntest etwas sagen wie »Ich muss gestehen, dass ich, so sehr ich auch versuche, dir zuzuhören, mich gerade ein wenig defensiv fühle.«
  • Formuliere Fragen mit offenem Ende.
  • Wiederhole für ein klares Verständnis. Formuliere gegenüber der anderen Personin deinen eigenen Worten, was du von dem verstanden hast, was sie gesagt hat. Du wirst bisweilen erstaunt sein, was dabei herauskommt.
  • Erkenne die Gefühle des anderen an. Wenn die Gefühle des anderen nicht ausreichend anerkannt werden, dann werden Gefühle die Konversation immer negativ beeinflussen.

3. Nimm eine Haltung von „Ja, und…“ an

Genau diese Haltung sorgt dafür, dass beide Standpunkte auf ein gleichwertiges Level gehoben werden. Ja, und… bewirkt, dass sowohl dein Standpunkt als auch der des anderen gehört werden. Sie existieren auf einer Ebene und haben einen gleichen Wert. Wenn du deinem Gegenüber zuhörst, solltest du nicht deinen eigenen Standpunkt schwinden sehen.

Die »Ja, und…«-Haltung sorgt dafür, dass du wahrnimmst, dass beide Sichtweisen etwas bedeuten. Sie verdeutlicht einmal mehr, dass die Welt ein sehr komplexer Platz ist. Sobald du genau das auch ausdrückst, versteht dein Gegenüber, dass du nicht nur deine eigene Sichtweise wiederholst, sondern auch seine. Der kritische Punkt an dieser Haltung ist lediglich, dass du auf der einen Seite in der Lage sein musst, deine Haltung zu verdeutlichen und zuzuhören, was der Standpunkt des anderen ist. Sobald du aber diesen Punkt einmal erreicht hast, kann es weitergehen.

4. Wirkung und Absicht sind unterschiedliche Dinge

Jetzt, da wir einander wirklich verstehen – was ist ein guter Weg, das Problem zu lösen? Lerne, beide Geschichten anzuerkennen und trenne Wirkung von Absicht. Wir formen in unseren Köpfen Geschichten, wenn wir Bedeutung zum Verhalten oder den Worten eines anderen hinzufügen, ohne zu überprüfen, ob unsere Schlussfolgerungen überhaupt korrekt sind. Sehr oft wiederholen wir diese Geschichten immer und immer wieder in unseren Köpfen.

Um beide davor zu schützen, in diese Falle zu tappen, kannst du dir drei Fragen stellen:

  1. Was hat die andere Person wirklich gesagt oder getan?
  2. Was ist die Auswirkung davon auf mich?
  3. Basierend auf der Auswirkung – welche Annahme treffe ich darüber, was die andere Person damit erreichen wollte?

Wenn du dir diese Fragen ehrlich beantwortet hast, ist der nächste Schritt, anzuerkennen, dass selbst die Antworten auf diese Fragen lediglich eine Mutmaßung darstellen.

Deine Mutmaßung kann korrekt sein. Sie könnte ebenso gut falsch sein.

Tatsächlich hat das, was die andere Person gesagt oder getan hat, eine Auswirkung auf deine Gefühle gehabt. Aber deine Gefühle könnten auf falschen Schlussfolgerungen basieren.

In einem Gespräch könntest du mitteilen, was du beobachtet hast, wie sich das für dich anfühlte und was deine Vermutungen über die Absichten des anderen waren. Es ist wichtig, dass du dabei klarmachst, dass du lediglich vermutest. Denn eine Vermutung lässt sich immer noch korrigieren.

 

5. Benutze Ich-Nachrichten

Nachrichten, die mit einem »du« beginnen, führen oft in die Falle der Schuldzuweisung. Sie sorgen letzten Endes für eine Atmosphäre, in der der andere sich verteidigen muss. Sätze, die mit einem »ich« beginnen, wirken weniger aufrührerisch und sie beinhalten auch, dass du Verantwortung für das übernimmst, was du jetzt sagst.

6. Konzentriere dich auf die Mitwirkung, nicht auf die Schuld

Mitwirkung fragt, wie ihr beide zu der Situation beigetragen habt. Der Sinn dieser Frage liegt darin, zu verstehen, welchen Anteil jeder an dem Konflikt hatte und wie ihr solche Situationen in der Zukunft vermeiden könnt. Sie sagt »Lass uns nicht in Schuldzuweisungen untergehen, sondern lass uns einen Weg finden, wie wir genau diese Anteile in der Zukunft vermeiden können. Lass uns übereinander lernen und wie wir zusammenarbeiten, um produktiver und gesünder zu sein, wenn wir das nächste Mal aufeinandertreffen.«

Es ergibt auch in schwierigen Situationen und gerade als Führungsperson überhaupt keinen Sinn, nach einer Schuld zu fragen.

Schuldzuweisungen sind etwas für Kindergartenkinder, nicht für Führungskräfte.

Denn sie führen niemals zur Lösung eines Problems.

Als Führungskraft ist aber genau das dein Job: Für Lösungen zu sorgen. Du gehst deinem Team voran und es sollte dir nicht täglich schwerfallen, schwierige Gesprä- che zu führen. Denn wenn du ständig Angst vor Standardaufgaben haben musst, wird es dir schwerfallen, deine Aufgaben zu erledigen. Leider gefährdet genau das auch deinen Erfolg.

Schwierige Gespräche mögen dir nicht besonders angenehm sein, aber wenn du Lösungsmöglichkeiten dafür hast, wie du und dein Gegenüber am Ende mit einem guten Gefühl herausgehen, ist dir dein Erfolg sicher.

Kein Erfolg basierte je auf einem Weg, der mit Rosenblättern bestreut war.

Es geht immer darum, Schwierigkeiten und Hindernisse aus dem Weg zu räumen.

Schaffe in deinem Team unbedingt eine Situation, in der man gerne mit dir spricht. Denn sonst läufst du Gefahr, dass strittige Punkte nie angesprochen werden. Das Ergebnis daraus ist dann, dass es irgendwann zu einer Explosion kommt und oft aus den nichtigsten Anlässen heraus. Unter Umständen ist dann ein ganzes Projekt in Gefahr, weil alle beteiligten Parteien im Streit auseinanderlaufen. Das solltest du auf jeden Fall vermeiden.

Wenn wir ehrlich sind, möchten wir alle in einem Umfeld arbeiten, in dem auf Augenhöhe kommuniziert wird. Das ist nicht zu verwechseln mit unterschiedlichen Hierarchieebenen. Es geht schlicht und einfach darum, dass es dir immer ein Anliegen sein sollte, dass deine Mitarbeiter gerne mit dir sprechen, weil sie wissen, dass du an einer Lösung interessiert bist.

Es wird im Leben – sei es im Berufsleben oder im Privatleben – immer dazu kommen, dass unterschiedliche Standpunkte existieren. Denn Standpunkte und Wahrnehmungen gibt es so viele, wie es Menschen auf der Erde gibt. Wir können nicht davon ausgehen, dass jeder die Welt so sieht, wie wir sie sehen. Nutze diese Erkenntnis als Chance, immer besser zu verstehen, wie dein Team funktioniert. Denn wenn du das tust, kannst du Aufgaben sinnvoll verteilen, weil du die unterschiedlichen Sichtweisen und den Fokus des Einzelnen kennst. Genau das zeichnet eine gute Führungskraft aus. Sie kann ihre eigenen Anliegen klar und gut kommunizieren, ohne anderen über den Mund fahren zu müssen. Sie schafft eine Atmosphäre guter Kommunikation, in der Menschen gerne mit ihr arbeiten und sich ehrlich austau- schen.

Fazit

Bevor du das nächste Mal in ein schwieriges Gespräch gehst, denke daran:

  • Nimm dir Zeit.
  • Schaffe eine sichere Gesprächsatmosphäre, in der ihr beide wirklich sprechen könnt.
  • Sei ein guter Zuhörer.
  • Formuliere beide Anliegen, indem du sie mit einem »Ja, und…« verbindest.
  • Wirkung und Absicht sind unterschiedliche Dinge.
  • Beginne Sätze mit »ich« statt mit »du«, um Schuldzuweisungen zu vermeiden.
  • Lenke deinen Fokus auf die Mitwirkung statt auf die Schuld.
Hier schreibt Kai Boyd
Mit jahrzehntelanger Erfahrung in Führungspositionen, darunter bei PricewaterhouseCoopers und Deutsche Telekom, Telefonica, deal united, Twilio und weg.de, hilft Kai Boyd Unternehmern und Einzelkämpfern, ihre Führungsfähigkeiten zu verbessern. Der Münchner und begeisterte Jogger bringt Expertise aus Konzernen, dem Mittelstand und Start-ups ein.

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