Sei ein Coach und nicht der Experte

Ein Mitarbeiter kommt zu dir kommt und bitte um Hilfe. Was sollst du tun? Sollst du dein Fachwissen nutzen, um seine Probleme zu lösen? Nun, es kommt darauf an.

Dieser Artikel beruht auf diesem Podcast.

Manchmal solltest du als Führungskraft genau das tun. Unterstützung anbieten. Deine Erfahrungen mit deinem Mitarbeiter teilen. Ihm die Türen öffnen oder Hindernisse aus dem Weg räumen. Aber dann sind da die anderen Fälle. Wenn es am wenigsten hilfreich ist Ratschläge zu geben. Das ist der Zeitpunkt, wenn es keine gute Idee ist, ihnen zu sagen, was sie tun sollen. Sonst können sie sich nicht entwickeln. Dann solltest du Coach statt Experte sein.

Jetzt solltest du „Gedanken-Sparringspartner“ deines Teams sein und deinen Mitarbeitern helfen, über ihr Problem nachzudenken. Aber du darfst unter gar keinen Umständen helfen das Problem zu lösen.

Unser Verstand ist mit alten Überzeugungen und irrationalen Ideen gefüllt, die unsere Entwicklung sabotieren. Wir müssen uns nun diese alten Überzeugungen genauer ansehen. Und Erlerntes, was veraltet ist, verwerfen und neue Lösungen entdecken.

Gesagt zu bekommen, was zu tun ist, funktioniert nicht

Unser Gehirn reagiert fundamental anders, wenn wir gesagt bekommen was zu tun ist, als wenn wir selbst die Lösung suchen und finden. Wenn wir Informationen von einer Führungskraft oder einem Kollegen erhalten, wird nur das Kurzzeitgedächtnis aktiviert.

Wenn das Problem dann gelöst ist und wir mit anderen Aufgaben, Herausforderungen oder  Sorgen bombardiert werden, verzerren diese Informationen in unserem Verstand. Nachts sortiert das Gehirn die wichtigsten Erkenntnisse des Tages durch und verwirft den Rest. Diese Funktion schafft Effizienz, bedeutet aber, dass das, was wir jeden Tag erleben, wahrscheinlich vergessen wird.

Es ist manchmal besser Coach statt Experte zu sein

Wir aktivieren, wenn wir selbst eine Idee generieren, einen anderen Teil des Gehirns. Das ist der mit dem Langzeitgedächtnis. Wenn wir z.B. einen Gedanken laut aussprechen, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns an ihn erinnern. Diese kraftvolle Kombination aus Generierung und Sprechen bedeutet, dass wir uns an die Gedanken, die wir mit anderen teilen, höchstwahrscheinlich erinnern.

Du als Führungskraft kannst dir das nun zunutze machen. Zum Beispiel kannst du Folgefragen stellen wie „Was ist dir gerade aufgefallen?“ oder „Was hält dich davon ab, deine Idee umzusetzen?“

Als Coach statt Experte solltest deinen Mitarbeiter dazu ermutigen, zu sagen, was er denkt. Denn das löst einen Erkenntnisgewinn bei ihm aus. Und wir alle wissen auch, dass es kein schöneres Gefühl gibt, als wenn man denkt, man wäre selber draufgekommen.  Dann fühlt sich jeder dazu verpflichtet es auch aktiv umzusetzen. Dann bist du Coach statt Experte.

Wie man reflexives Nachfragen einsetzt

Hier ein paar einfache Schritte für das Coaching von Mitarbeitern. Es wird deinen Mitarbeitern helfen ihre Ideen zu präsentieren. So, dass man sie besprechen kann.

  1. Zeig erstmal Präsenz. Weniger wichtig ist, Zeit damit zu verschwenden die richtige Frage zu stellen. Nachdem viele Führungskräfte so viele Bücher über Coaching gelesen haben, bleiben sie oft stecken und denken, dass sie gute Fragen stellen müssen. Dann, während eines Coaching Gesprächs, verbringen sie mehr Zeit damit, sich die richtigen Fragen auszudenken, als präsent zu sein und der Person zuzuhören. Das kann nach hinten losgehen, wenn dein Teammitglied bemerkt (bewusst oder unbewusst), dass du nicht voll konzentriert bist. Anstatt zu versuchen, an die perfekte Frage zu denken, solltest du einfach zuhören und wirklich versuchen, das Problem zu verstehen. Dann bestätige, dass das, was du hörst, richtig ist, indem du fragst: „Siehst du das Problem so?“
  • Zusammenfassen. Suche nach Emotionen und benutzten Schlüsselwörtern. Eine großartige Möglichkeit, Zuhören, Verstehen und Einsicht zu demonstrieren, ist einfach zusammenzufassen, was gesagt wurde. Achte auf Muster und Schlüsselwörter, die sie hervorheben oder mehr als einmal verwenden. Manchmal geht es weniger darum, was sie sagen und mehr darum, wie sie es sagen. Frage: „Wow, du scheinst sehr begeistert zu sein, ich möchte mehr wissen.“ oder „Das scheint ein wichtiger Punkt für dich zu sein, was bedeutet das für dich?
  • Sei neugierig. Urteile nicht und löse das Problem nicht. Bleib neugierig auf das, was dein Mitarbeiter gesagt hat. Stell einfache Fragen und zwar die, die aus deiner Neugierde herauskommen – nicht aus deinem Gedächtnis. So kannst du auf natürliche Weise das Gespräch leiten. Vermeide es, die Gedanken und Gefühle deines Mitarbeiters zu beurteilen. Sobald sich die Person verletzlich fühlt, verschwindet jedes Potenzial für sinnvolle Einsicht. Dann wird sich das Anbieten von Ratschlägen und Lösungen zwar für den Moment gut anfühlen, wird aber das tiefere, einflussreichere Gespräch beenden. Taucht lieber gemeinsam in die Gedanken, Ideen und Gefühle deines Mitarbeiters ab.
  • Finde das Ziel. Wenn ihr nicht wisst wohin die Reise gehen soll, ist fast unmöglich zu wissen, was man tun muss. Mach das Ziel, den Erfolg greifbar. Es geht um was dein Mitarbeiter will und nicht um das, was er gerade hat (oder nicht hat). Frage: „Wie würde es aussehen, wenn du es anders machen würdest?“ oder „Wie sieht der Idealzustand aus?“ Wenn du ein Bild davon hast, wie dein Mitarbeiter das Problem lösen möchte, könnt ihr zusammen darauf hinarbeiten. Sobald das klar ist, wird dein Mitarbeiter sehen, was ihn davon abhält, das zu bekommen, was er will oder braucht, und eine innovative Lösung finden, um es zu lösen.
  • Üben, üben, üben.

Ich erinnere mich oft an die quälende Session, wenn ich mit einem verzweifelten und aufgelösten Mitarbeiter am Whiteboard stehe und wir gemeinsam versuchen zu verstehen, was das Problem ist. Und ich weiß auch, dass es sich am Anfang oft unangenehm anfühlt, diese Coaching-Perspektiven anzuwenden. Aber du darfst dich Führungskraft nicht dazu verleiten lassen vorschnell eine Lösung zu präsentieren. Nicht aufgeben.

Der Augenblick, wenn es bei deinem Mitarbeiter „klick“ macht – ist unbeschreiblich.

Üb es zu Hause mit eurem Partner oder euren Kindern, oder suche dir einen Freund, der diese Techniken ebenfalls lernen möchte. Vereinbart, euch gegenseitig zu coachen, damit jeder von euch einen Einblick in sich selbst gewinnt und seine Fähigkeiten verbessern kann. Je früher du damit anfängst, reflexives Erkunden zu üben, desto schneller wirst du es in deine Denkweise und dein Verhalten integrieren. Dann fühlt es sich auch weniger unangenehm an.

Die eigentliche Aufgabe einer Führungskraft ist es, ihre Mitarbeiter zu entwickeln

Auch wenn es den Anschein haben mag, dass es die Aufgabe einer Führungskraft ist, seinen Mitarbeitern zu sagen, was sie tun sollen, so ist doch die wesentliche Aufgabe den Verstand und die Fähigkeiten seines Teams zu entwickeln. Wenn wir unser Fachwissen, unsere Erfahrung und unser Bedürfnis, uns wichtig zu fühlen, beiseitelassen und stattdessen reflexive Erkundungstechniken anwenden können, wenn Mitarbeiter mit Problemen an uns herantreten, können wir unsere Mitarbeiter dazu bringen, ihre Gedanken und Verhaltensweisen selbstständig zu ändern.

Das anwenden von reflexive Untersuchungstechniken dient als ein externer Störer. Dieser Störer hat die Aufgabe bestehenden Muster zu brechen und deinem Mitarbeiter Raum zu geben, seinen Ansatz zu überdenken. Wenn wir unseren Mitarbeitern wirklich helfen wollen, sich selbst zu verwirklichen, dann müssen wir aufhören der Experte sein zu wollen. Es geht darum, dass du besser Coach statt Experte sein musst.

Hier schreibt Kai Boyd
Mit jahrzehntelanger Erfahrung in Führungspositionen, darunter bei PricewaterhouseCoopers und Deutsche Telekom, Telefonica, deal united, Twilio und weg.de, hilft Kai Boyd Unternehmern und Einzelkämpfern, ihre Führungsfähigkeiten zu verbessern. Der Münchner und begeisterte Jogger bringt Expertise aus Konzernen, dem Mittelstand und Start-ups ein.

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