Wie man sinnvoll Wertschätzung bei der Arbeit zeigt

Das Thema „Wertschätzung ausdrücken“ scheint den letzten Jahren zum Mainstream geworden zu sein.

Dieser Artikel basiert auf dieser Podcastfolge. Hier erhältst du zu dem Thema einen praktischen Leitfaden.

Auch wenn es neu erscheinen mag, hat die Bedeutung von Wertschätzung ihre Wurzeln in der Philosophie. Doch was genau ist Wertschätzung und warum ist sie am Arbeitsplatz so wichtig? Wie kannst du als Führungskraft sinnvolle Wertschätzung zeigen? Gibt es einen Weg, es zu tun, ohne dass es sich gezwungen oder unauthentisch anfühlt?

Warum überhaupt Danke sagen bei der Arbeit?

Wie immer gibt es auch zu diesem Thema eine Studie. Dabei hat man herausgefunden, dass wertgeschätzte Mitarbeiter mit höherer Wahrscheinlichkeit nicht kündigen, produktiver sind und mehr Ziele erreichen. Wir fühlen uns gesehen und entwickeln eine bessere Beziehung zu der Person, die die Wertschätzung gezeigt hat. Es gibt uns das Gefühl, dass wir wichtig sind und dass das, was wir tun, und wie wir handeln wichtig ist.

Das Schöne an der Dankbarkeit ist, dass sie sowohl dem Empfänger als auch dem Geber zugutekommt. Wenn wir uns dankbar fühlen, steigt unser allgemeines Wohlbefinden. Wir werden offener und sind weniger gestresst. Das sind zwei ziemlich wichtige Faktoren am Arbeitsplatz. Selbst wenn du nicht regelmäßig die Kunst der Dankbarkeit praktizierst, hat ein Experiment gezeigt, dass die positiven Auswirkungen noch Wochen anhalten.

Die Etablierung einer regelmäßigen Dankbarkeitspraxis ist in den letzten Jahren immer beliebter geworden. Es gibt eine Vielzahl von Ansätzen, um Dankbarkeit in deine tägliche oder wöchentliche Routine einzubauen.

So baust du Dankbarkeit in deinen Alltag ein

Eine gängige Maßnahme ist das Führen eines Dankbarkeitstagebuchs, in dem du jeden Tag Dinge festhältst, die du schätzt. Du legst also ein Notizbuch auf deinen Nachttisch und schreibst jeden Abend vor dem Schlafengehen mindestens eine Sache auf, für die du dankbar bist. Ein anderer Ansatz wäre, Dankbarkeit mit einem Verhalten zu verbinden, das du bereits jeden Tag tust. Jedes Mal, wenn du dir zum Beispiel eine Tasse Kaffee einschenkst, sagst du eine Sache, für die du dankbar bist. Wofür auch immer du dich entscheidest, mach es bewusst. Je wohler du dich fühlst und je mehr du im Einklang mit der Dankbarkeit bist, desto mehr Gelegenheiten zum Zeigen von Dankbarkeit wirst du erkennen und desto einfacher wird es, sie auszudrücken. Und darum geht es ja bei Führung.

Mit sinnvoller Wertschätzung gewinnen alle: sowohl du als Führungskraft als auch deine Mitarbeiter.

Es gibt viele Nuancen der Wertschätzung

Wertschätzung hat in der Arbeitswelt eine Vielzahl von Ausdrucksformen angenommen. Viele Unternehmen haben formelle Mitarbeiterwertschätzungs- oder Anerkennungsprogramme. Das sind feierliche Veranstaltungen, in denen die Organisation Mitarbeiter oder Teams für ihre Arbeit hervorhebt. Manche Führungskräfte spendieren ihrem Team ein Mittagessen, nachdem sie eine wichtige Deadline erreicht haben. Natürlich gibt es auch die öffentliche Anerkennung einer Kollegin oder eines Kollegen für die großartige Arbeit, die er oder sie geleistet hat. All dies und noch mehr fällt unter den Begriff der Wertschätzung bei der Arbeit.

Ich sehe hier drei Ansätze, um Wertschätzung in den Führungsalltag zu integrieren:

  • Dankbarkeit
  • Lob
  • Anerkennung

Sehen wir uns diese drei Ansätze etwas genauer an.

Dankesbekundung: Wie man „Danke“ sagt

Dankbarkeit ist vielleicht die gefährlichste Form der Wertschätzung bei der Arbeit. Warum sage ich das? Weil „Danke“ zu sagen eine rein routinemäßige Antwort ist. Wir haben das reflexartig als Kinder gelernt: „Hast du auch Danke gesagt?“ Aber es kann sowohl persönlich als auch per Zoom sehr unauthentisch wirken. Wenn man einfach nur das Wort „Danke“ sagt,  kann es sein,  dass der Empfänger die Wirkung dessen, was wir sagen wollen, nicht spürt. Diese schnellen Dankesbekundungen sind zwar nach wie vor wichtig für die allgemeine Höflichkeit, aber man würde nicht erwarten, dass du damit ein Gefühl der Wertschätzung transportierst.

Bedeutung und Authentizität entstehen, wenn man die Dankbarkeit auf die Person und die Tat bezieht.

Oft sende ich zum Beispiel eine „Danke!“-E-Mail-Antwort, nachdem ich die von mir angeforderten Informationen erhalten habe. Aber das ist nichts Besonderes. Es ist einfach nur ein kurzer Hinweis, dass die Infos bei mir angekommen sind.

Wenn ich auf der anderen Seite einen Kollegen habe, der wirklich schnell und professionell reagiert, könnte eine durchdachte und konkrete Antwort so aussehen: „Ich möchte mich dafür bedanken, dass du immer so zeitnah auf meine Anfragen reagierst. Ich schätze es sehr, dass du dich immer bei mir meldest, so dass ich nicht zweimal nachfragen muss.“ Jetzt habe ich mich dafür bedankt, wie die Person reagiert hat, und ihr gesagt, was es mir bedeutet. Ich habe die Person wissen lassen, dass ich sie und das Verhalten schätze, nicht nur die Arbeit, die sie macht. (Wenn wir alle wieder im Büro arbeiten können: Geh noch einen Schritt weiter und schreibe eine handschriftliche Notiz statt einer E-Mail; wir erhalten so selten handschriftliche Notizen, dass die Wirkung viel besser ausfallen wird.)

Vielleicht fragst du dich jetzt:

Was ist mit der Dankbarkeit gegenüber Menschen auf der Arbeit für Dinge, die nichts mit der Arbeit zu tun haben? Ist das überhaupt angemessen? Wir sollten unsere Mitarbeiter immer als ganze Menschen sehen und eben nicht nur als Mitarbeiter. Mitarbeiter sind mehr als Ressourcen. Mitarbeiter haben mehr Wert als nur die Menge an Arbeit, die sie „erledigen“. Natürlich ist es wichtig, die Fähigkeiten eines Mitarbeiters zu schätzen, doch wir sollten auch den Menschen schätzen. Du wirst Mitarbeiter haben, die einfach immer eine positive Stimmung im Team verbreiten. Andere schätzt du wegen ihres ruhigen Auftretens und ihrer Fähigkeit, inmitten einer Krise die Probleme ganz unaufgeregt zu durchdenken. Und noch andere werden für das respektiert, was sie außerhalb der Arbeit tun – eine alleinerziehende Mutter, die sich für ihre Familie einsetzt, eine Person, die der Gemeinschaft durch ehrenamtliches Engagement viel gibt, oder jemand, der Selbstdisziplin beweist, indem er für einen Marathon trainiert.

Loben: Wie man Bewunderung zeigt

Wertschätzung als Lob geht über ein „Danke“ hinaus und beinhaltet konkrete Worte der Anerkennung. Phrasen wie „Gute Arbeit“ sind zwar üblich, aber genau wie deren Danke-Pendant fehlt solchen Phrasen die volle Wirkung eines bedeutungsvollen Lobes. Um ein Lob auszusprechen, überlege dir: Was genau war bemerkenswert an dieser Präsentation? Warum warst du so begeistert, dass dein Mitarbeiter das Projekt rechtzeitig fertiggestellt hat?

Wenn du konkretes Lob aussprichst, passieren zwei Dinge: Erstens zeigst du, dass du deinem Mitarbeiter Aufmerksamkeit schenkst. Zweitens hebst du Verhaltensweisen und Einstellungen hervor, die du ggf. beim Empfänger verstärken möchtest.

Sage ich zu einer Kollegin lediglich: „Gute Arbeit in dem Meeting mit Jürgen“, ist unklar, welchen Aspekt ich gut finde. So ist es klarer: „Gute Arbeit in diesem Meeting mit Jürgen. Ich war wirklich beeindruckt davon, wie du den Gesprächsverlauf gemanagt hast, obwohl Jürgen immer wieder in andere Richtungen abdriftete. Das hat das Meeting so viel produktiver gemacht.“ Jetzt stellt sich die Frage nicht mehr, wofür genau ich dankbar bin und warum. Indem ich klar zum Ausdruck gebracht habe, dass ich dieses Verhalten schätze, habe ich ein Saatkorn gepflanzt und der Mitarbeiter weiß nun, was er weiterhin tun sollte.

Anerkennung: Öffentlich vs. privat

Sowohl Dankbarkeit als auch Lob sollten oft und im privaten Rahmen ausgesprochen werden. Anerkennung hingegen ist ein eher öffentlicher Akt. Hier ist der Knackpunkt: Menschen reagieren unterschiedlich auf öffentliche Anerkennung. Für manche Menschen ist dies die absolut höchste Form der Wertschätzung. Sie lieben es, vor Kollegen und Kunden anerkannt zu werden. Für andere fühlt sich öffentliche Anerkennung peinlich und unangenehm an. Finde die Vorlieben jeder Person heraus und gestalte deine Anerkennung nach Möglichkeit so, dass sie diesen Vorlieben entspricht.

Anerkennung lässt Raum für Kreativität, also mach einen Spaß daraus. Ich habe schon Teams gesehen, die ihre Mitarbeiter am Ende eines Meetings mit einem Preis für den „besten Beitrag“ ausgezeichnet haben. Du kannst deine eigenen Kategorien erstellen, basierend darauf, was zu deiner Teamkultur passt und was du in den Meetings hervorheben möchtest, wie z. B.: „Kritischste Beobachtung“, „Wildeste Idee“ oder „Außerordentlich guter Moderator“ (für den Mitarbeiter, der andere eingebunden oder das Meeting auf Kurs gehalten hat). Ich habe schon in Teams gearbeitet, die ihre Werte in das Teammeeting integriert haben: Immer wenn ein Kollege die Teamwerte irgendwie in der laufenden Woche „gelebt“ hat, wurde das hervorgehoben. Das finde ich einen besonders coolen Ansatz, weil dabei das ganze Team in die Anerkennung einbezogen und die Wichtigkeit des Handelns im Einklang mit den Teamwerten unterstrichen wird.

Sinnvolle Wertschätzung zur Gewohnheit machen

Am Ende des Tages geht es beim Zeigen von Wertschätzung nicht nur darum, jemandem ein gutes Gefühl zu geben. Es geht darum, deinen Teammitgliedern zu vermitteln, dass du sie für das schätzt, was sie in das Team einbringen und wer sie als Menschen sind.

Die wenigsten von uns sagen oft genug Danke und loben auf sinnvolle Art und Weise. Andererseits verbringen wir viel Zeit damit, darüber nachzudenken, wie man kritisches Feedback geben kann, um Menschen zu helfen, sich zu verbessern. Dabei ist positives Feedback genauso wichtig, wenn nicht sogar noch wichtiger.

Wie kannst du dich daran erinnern, mehr Dankbarkeit, Lob und Anerkennung zu zeigen? Hier sind ein paar Ansätze, die dir den Einstieg erleichtern. Den kompletten Leitfaden findest du hier.

Wiederkehrender Punkt

Trage den wiederkehrenden kurzen Punkt „Wertschätzung ausdrücken“ in deinen Kalender oder deine wöchentliche Aufgabenliste ein. Bis du dir angewöhnt hast, Wertschätzung zu zeigen, ist es hilfreich, jede Woche Zeit dafür einzuplanen. Nutze diese Zeit, um eine aussagekräftige E-Mail oder Notiz zu schreiben, Bemerkungen für ein bevorstehendes Meeting vorzubereiten oder eine Aktion durchzuführen, die deine Wertschätzung für einen Mitarbeiter zeigt. Du kannst auch Menschen, die nicht in deinem Team sind, deine Wertschätzung zeigen. Wenn du jemandem aus einer anderen Abteilung Wertschätzung entgegenbringst, stell unbedingt sicher, dass du seinen Vorgesetzten mit einbeziehst.

Es kann auch sehr helfen, wenn du einen festen Tagesordnungspunkt „Wertschätzung“ in deinen One2ones hast. Bereite dich darauf vor, sinnvolles positives Feedback zu geben, danke zu sagen und Lob auszusprechen. Mach das mindestens einmal im Monat.

Mach es zu einer Teamleistung

Wertschätzung ist etwas, das das ganze Team annehmen kann und sollte. Ermutige deine Teammitglieder, sich gegenseitig wertzuschätzen und das auch zum Ausdruck zu bringen. Nimm dir Zeit für deine wöchentlichen Teambesprechungen – normalerweise reichen schon ein paar Minuten aus. Füge einen ständigen Tagesordnungspunkt hinzu, der „Anerkennungen“ oder „Wertschätzung“ heißt (oder was auch immer sich für dein Team richtig anfühlt). Bitte alle, sich im Vorfeld zu überlegen, wem sie danken wollen und wofür. Gilt natürlich auch für dich.

Ich kann mich an eine Übung erinnern, die ich mit meinem Coach Rolf Kersten und meinem Team gemacht habe. Wir waren für zwei Tage in einer Hütte in den Bergen. Jeder bekam einen Partner zugewiesen und die Aufgabe war, dieser Person Danke zu sagen. Ich durfte meinem Geschäftsführungskollegen Sven Ahrens Danke sagen. Und dabei habe ich festgestellt, wie dankbar ich ihm bin und dass ich ihm das noch nie gesagt hatte. Es war nicht nur eine schöne Erfahrung, sondern hat auch noch unglaublich viel Spaß gemacht.

Dankbarkeit wird zu einer täglichen Gewohnheit

Je mehr du Dankbarkeit praktizierst, desto einfacher und intuitiver wird sie werden. Wie beginnt man nun mit einer Routine, die diesen Kreislauf, dass wir alle zu wenig wertschätzen, unterbricht? Fang mal mit einem Dankbarkeitstagebuch an und schreibe jeden Tag eine Sache auf, für die du dankbar bist. Oder bewahre ein Stück Papier auf deinem Schreibtisch oder neben deinem Nachttisch auf, um dich daran zu erinnern, deinen täglichen Punkt aufzuschreiben.

Für mehr Hilfe, hol dir meinen oben genannten Leitfaden zum Thema „Wertschätzung ausdrücken“.

Hier schreibt Kai Boyd
Mit jahrzehntelanger Erfahrung in Führungspositionen, darunter bei PricewaterhouseCoopers und Deutsche Telekom, Telefonica, deal united, Twilio und weg.de, hilft Kai Boyd Unternehmern und Einzelkämpfern, ihre Führungsfähigkeiten zu verbessern. Der Münchner und begeisterte Jogger bringt Expertise aus Konzernen, dem Mittelstand und Start-ups ein.

Ähnliche Artikel