Warum Selbsterkenntnis bei Führung wichtig ist

Selbsterkenntnis bildet das Fundament für einen erfolgreichen Führungsstil, indem Führungskräfte ihre Stärken, Motivationen und Grenzen verstehen und authentisch führen.

Selbsterkenntnis ist für eine Führungskraft der Schlüssel für einen guten Führungsstil.

Als Führungskraft brauchst du Selbsterkenntnis, bevor du damit anfangen kannst, andere zu führen. Darüber hinaus solltest du die Führung über dein eigenes Leben übernehmen, damit andere dir folgen.

Das klingt für dich ein wenig absurd? Das ist es aber nicht. Stell dir deine Firma einfach einmal als ein Schiff vor. Du bist der Kapitän und sollst deine Crew anführen.

Nun stell dir einmal vor, du als Kapitän reagierst verwirrt, wenn dich ein Crewmitglied fragt, wo es hingeht. Außerdem kennst du dich auf deinem Schiff nicht aus und ständig vergisst du, das Wetter zu überprüfen und du änderst deinen Kurs jeden Tag.

Wird deine Crew dir vertrauen?

Vermutlich eher nicht. Sie werden das Schiff nicht verlassen, sofern ihr gerade auf hoher See seid. Aber sobald sich eine Gelegenheit ergibt, werden sie deiner »Führung« zu entkommen versuchen.

Genau so ist es auch in deiner Firma. Wenn du dich selbst kennst, strahlst du echte Führungsqualitäten aus. Es gibt einige Aspekte der Selbsterkenntnis, die dich von einer durchschnittlichen Führungskraft zu einem großartigen Anführer machen.

1. Sei dir bewußt, unter welchen Umständen du besonders gut performst

Jeder Mensch arbeitet anders. Während der eine bei einer 40-Stunden-Woche zu Top-Leistungen aufläuft, legt der andere den Hebel erst bei 50 oder 60 Stunden auf High-Performer um. Der eine braucht Menschen um sich, um kreativ zu werden, der andere braucht Stille. Und während andere Führungskräfte den täglichen Gang ins Büro brauchen, bist du vielleicht eher der Homeoffice-Typ.

Was manche vielleicht für Beiwerk halten, ist der erste Schlüssel zu hervorragender Führungsqualität. Erst wenn du herausgefunden hast, unter welchen Bedingungen du zu deinen eigenen Spitzenleistungen aufläufst, werden andere zu dir als Führungskraft aufschauen und werden dem Folge leisten, was du vorgibst.

2. Kenne als Führungskraft die dunkle Seite der Macht

Als angehende gute Führungskraft ist es wichtig, zu verstehen, dass jeder eine gemischte Motivation hat. Niemand handelt ausschließlich aus edlen Gründen heraus. Und so sehr wir uns auch alle anstrengen – jeder kennt das Bild vom Engel und vom Teufel, die auf unserer Schulter sitzen und uns gute Tipps geben. Mal gewinnt der Engel und mal eben auch der Teufel.

Leistest du die vielen Überstunden, weil du nur das Beste für die Firma willst? Oder liebäugelst du mit einer Beförderung? Bist du morgens der Erste und abends der Letzte, weil du die Arbeit erledigt haben willst? Oder winkt vielleicht ein Bonus?

Es geht nicht darum, die dunkle Seite der Macht auszuschalten

Aber du solltest sie kennen und du solltest dir bewusst sein, dass du nicht nur aus lauteren Motiven heraus agierst. All das macht dich nämlich nicht zu einem schlechten Menschen, sondern schlicht und ergreifend überhaupt erstmal menschlich. Und wenn du dir diese finsteren Fragen gestellt hast, müssen es andere nicht mehr tun.

3. Privatmensch versus Geschäftsmensch

Es gibt einen Unterschied zwischen der Person, die du im Geschäftsleben bist und dem Menschen, der du im Privatleben bist. Die meisten Menschen tendieren dazu, im Privatleben sie selbst zu sein, während sie im Geschäftsleben eine Rolle spielen.

Die besten Führungskräfte sind jedoch die, die keine bösen Überraschungen bereithalten. Wenn du dich also in der Firma verstellst, der loyalste, gütigste und anständigste Mensch bist, macht es keinen guten Eindruck, wenn dich jemand privat dabei »erwischt«, wie du dich im Restaurant mit deiner Familie dem Kellner gegenüber abfällig verhältst oder deine Kinder schlecht behandelst.

Wie kannst du es also nun schaffen, diese beiden Gesichter unter einen Hut zu bringen? Du solltest nie versuchen, zu schauspielern. Deine Mitarbeiter werden früher oder später herausfinden, wie du wirklich bist und wenn es auf dem Sommerfest oder der Weihnachtsfeier der Firma ist. Wer hoch aufsteigt, kann tief fallen. Niemand folgt gerne einer Person, die lediglich im Geschäftsleben den schönen Schein wahrt.

Die besten Führungspersönlichkeiten zeichnen sich dadurch aus, dass sie ehrlich im Geschäftsleben und wahrhaft im Privatleben sind.

4. Kenne deine Grenzen

Gerade junge Menschen unterliegen oft dem Irrglauben, sie hätten keine Grenzen. Alles ist großartig, sie können immer weiter aufsteigen. Sie verfügen über schier endlose Energie und Leistungskraft.

Die Wahrheit ist jedoch: Jeder Mensch hat Grenzen. Sei es, dass die Kräfte irgendwann doch einmal nachlassen, sei es, dass uns Fähigkeiten fehlen. Und je älter wir werden, desto früher ist es möglich, dass dir die Kraft ausgeht.

Es mag dir nun wie ein Widerspruch vorkommen, wenn ich sage: Je besser du deine Grenzen kennst und respektierst, desto besser wird dein Führungsstil sein.

Menschen haben größeren Respekt vor anderen, wenn sie sich innerhalb ihrer Grenzen bewegen als wenn sie ständig probieren, darüber hinaus zu gehen, um dann zu scheitern. Selbstverständlich kannst und solltest du an deinen Fähigkeiten arbeiten, aber wenn du probierst, hundert Hasen auf einmal zu fangen, werden sie dir alle entwischen.

Die besten Führungskräfte sind Experten. Expertentum wiederum zeichnet sich dadurch aus, dass du wenige Gebiete wirklich beherrschst. Denn dann kannst du effektiv delegieren und dich auf das konzentrieren, was du wirklich gut kannst. Dann kannst du auch das Expertentum deiner Mitarbeiter ausloten und für die Ziele der Firma einsetzen.

5. Kenne dein Team

Es gibt keine Nicht-Kommunikation und genauso gibt es kein neutrales Auftreten. Wenn du mit deinen Mitarbeitern interagierst, hinterlässt du sie entweder mit einem besseren oder mit einem schlechteren Gefühl. Du kannst dir sicher denken, welcher Effekt für eine gute Führungskraft wünschenswert ist – du solltest die Menschen mit einem besseren Gefühl hinterlassen. Aber wie kannst du es schaffen, den Menschen ein gutes Gefühl zu geben, ohne deine Professionalität zu verlassen?

  • Frage sie nach ihrer Arbeit: Jeder Mensch mag es, wenn andere Interesse zeigen. Wenn du dich ehrlich nach der Arbeit deiner Mitarbeiter erkundigst, kannst du vielleicht herausfinden, was sie brauchen, um noch bessere Arbeit abliefern zu können. Letztlich gewinnt ihr beide – dein Mitarbeiter fühlt sich wertgeschätzt und ist noch eher bereit, dich beim Erreichen deiner Ziele zu unterstützen und du gewinnst ein immer besseres Teammitglied.
  • Zeige echtes Interesse an ihnen: Dabei geht es um private Aspekte. Natürlich musst du nicht im Detail nach Eheproblemen fragen. Aber wenn dir etwas an deinem Mitarbeiter auffällt, was zuvor nicht da war – sei es eine neue Frisur, ein verändertes Verhalten, vielleicht aber auch andauernde Müdigkeit – kannst du dich danach erkundigen, ohne bohrend zu wirken. Deine Mitarbeiter werden es zu schätzen wissen, dass dein Interesse nicht ausschließlich ihrer Arbeitskraft gilt.
  • Gib ihnen deine vollständige Aufmerksamkeit: Wenn du dich mit einem Mitarbeiter unterhältst, haben dein Handy und deine E-Mails Pause. Sollte dir das schwerfallen, richte dir konkrete Termine für solche Gespräche ein. In dieser Zeit sollte dich nichts stören. Denn wenn deine Aufmerksamkeit geteilt ist, ist es wie mit den hundert Hasen. Du wirst die Anliegen deiner Mitarbeiter nicht wirklich verstehen, gleichzeitig wirst du aber auch die »wichtigen« Mitteilungen nur mit halber Aufmerksamkeit lesen. Multitasking ist in diesem Zusammenhang eine Illusion. Konzentriere dich auf das, was du gerade tust und danach um die nächste Aufgabe.
  • Nimm dir immer die Zeit, ihnen für ihre Arbeit zu danken: Dankbarkeit ist der Schlüssel, das weiß schon der Volksmund. Wenn jemand gute Arbeit leistet, wird dir kein Zacken aus der Krone brechen, wenn du ihm dafür dankst. Im Gegenteil: Dein Mitarbeiter wird daraus viel Motivation schöpfen können und bei nächster Gelegenheit wieder großartige Arbeit leisten.
  • Finde heraus, wie es ihnen geht, bevor du eine Anweisung gibst: Niemand kann gute Arbeit leisten, wenn es ihm eigentlich schlecht geht. Bevor du also eine Anweisung gibst, solltest du immer herausfinden, wie es um das Wohlbefinden deines Mitarbeiters steht. Dabei musst du nicht zu lamentieren beginnen. Aber wenn du weißt, was mit deinem Mitarbeiter los ist und wenn du dich wirklich danach erkundigst, kann er hinterher auch deine Anweisungen besser aufnehmen.
  • Verstehe ihre Probleme und verurteile sie nicht: Jeder Mensch durchläuft schwierige Phasen. Als gute Führungskraft weißt du das und du kannst auf die Probleme deiner Mitarbeiter eingehen, ohne deine Professionalität zu verlieren. Das geht schon mit Kleinigkeiten los. Eine Mitarbeiterin wirkt morgens immer müde? Statt sie aufzufordern, doch einfach früher schlafen zu gehen – und sie damit zu verurteilen – finde heraus, warum das so ist. Das ändert nichts an ihrer Müdigkeit, aber sie fühlt sich als Mensch verstanden. Jemand, der sich verstanden statt verurteilt fühlt, wird deutlich leistungsbereiter sein.
  • Finde heraus, wie du deine Freundlichkeit zeigen kannst: Du musst deine Mitarbeiter nicht jeden Tag mit Geschenken überhäufen, aber kleine Aufmerksamkeiten erhalten die Freundschaft. Das gilt im Geschäftsleben genauso, wie es im Privatleben seine Gültigkeit hat. Jemand, der sich wahrgenommen fühlt, der spürt, dass du als Führungskraft wirklich freundlich gesinnt bist, wird auch in schwierigen Zeiten an deiner Seite stehen.

Wenn du dich als Führungskraft auf diese Weise verhältst, ist es sehr wahrscheinlich, dass andere Menschen mit dir und für dich arbeiten wollen.

Habe als Führungspersönlichkeit immer eine „Wir schaffen das“-Haltung

Diese solltest du wirklich von innen heraus ausstrahlen.

Was ist aber, wenn du all das sehr schwierig findest? Natürlich kannst du dich immer verbessern. Kaum jemand wird als gute Führungskraft geboren. Wenn du also die Leistung deines Teams lediglich mittelmäßig findest, solltest du dich nicht fragen, an welchen Stellschrauben du im Team herumschrauben kannst. Frage dich lieber, was du dafür tun kannst, um dein Team besser anzuführen.

Das geht damit los, dass du zuerst einmal dein eigenes Leben beherrschen musst, bevor du, übertrieben gesagt, über andere herrschen kannst. Führe zunächst dich selbst, bevor du mit dem Führen von anderen anfängst. Denn wenn du an dir selbst arbeitest, bemerken das auch deine Mitarbeiter. Sie werden feststellen, dass du deine Führungsrolle nicht als gegeben hinnimmst und einfach so erwartest, dass sie dir folgen. Sie werden spüren, dass du etwas für die Leistungsfähigkeit deines Teams tust.

Ein Titel ist eine schöne Sache

Teamleitung oder Manager klingt auf dem Türschild schonmal gut. Nun geht es darum, diese Rolle auch auszufüllen. Sicher kennst du die berühmten »Söhne von« und »Töchter von«. Verschafft ihnen dieser Titel Respekt oder eher Skepsis? Leider ist es Letzteres. Diese Menschen müssen immer zuerst beweisen, dass sie bereit sind, sich für die Firma einzusetzen. Nur so können sie sich den Respekt ihrer Mitarbeiter verdienen. Du solltest dir immer bewusst sein, dass der Titel, den du trägst, nur genau das ist – ein Titel. Jetzt geht es darum, das Ganze mit Leben zu füllen und das tust du am besten, indem du echte Motivation und wahres Engagement beweist. Arbeite dazu an dir selbst.

Das Erste, was du herausarbeiten solltest, ist dabei deine Einzigartigkeit. Jeder Mensch hat etwas, was ihn einzigartig macht. Hier solltest du an deine Selbsterkenntnis gehen. Denn dann weißt du, wie bereits angesprochen, unter welchen Bedingungen du wirklich gute Arbeit leisten kannst. Du weißt aber auch, wie du mit deinen Schwächen umgehen musst. Dann kannst du deine eigenen Qualitäten und die deiner Mitarbeiter zu einem echten Gewinner-Mix ausformen und so könnt ihr wirklich gute Resultate erzielen.

Alles startet mit einem guten Mindset

Dieses sollte das Mindset einer echten Führungskraft sein. Gehe im Kopf als Gewinner an deine Aufgaben heran. Das wird sich positiv auf deine Arbeit und das gesamte Team auswirken.

Nicht immer gilt der Leitspruch »Viel hilft viel.« Du als Führungskraft musst nicht nur wissen, wann und wo ihr anfangen sollt. Du musst noch viel mehr wissen, wann und wo ihr aufhören und eine Pause einlegen müsst. Denn gute Leistung ist ein Marathon und kein Sprint. Natürlich kannst du am Anfang Vollgas geben. Wenn dir dann aber über die Zeit die Puste ausgeht, wird das von deinem Team als Schwäche wahrgenommen. Denn offensichtlich hattest du keine Ahnung, bis wohin du leistungsfähig bist. Und wenn du schon dich selbst kaum einschätzen kannst – wie willst du das Vertrauen deiner Mitarbeiter in deine Fähigkeiten als Führungskraft gewinnen?

Letzten Endes geht es immer um Vertrauen. Menschen möchten mit Menschen arbeiten, denen sie vertrauen. Denn erst das entfaltet ihre wahre Leistungsfähigkeit und -bereitschaft. All die angesprochenen Maßnahmen sorgen für Vertrauen – im Team und in den einzelnen Beziehungen zwischen deinen Mitarbeitern und dir. Schaffe immer eine gute Arbeitsbasis.

Das hilft dir selbst, wenn du viele Stunden für die Firma arbeitest. Das hilft aber auch den anderen, die dadurch einen guten Arbeitsplatz haben, für den sie sich gerne einsetzen.

Dieser Artikel basierte auf dieser Episode vom Podcast „Dein Team, Deine Pflicht“. Um diese und viele andere Episoden zu hören, kannst du den Dein-Team-Deine-Pflicht Podcast.

Hier schreibt Kai Boyd
Mit jahrzehntelanger Erfahrung in Führungspositionen, darunter bei PricewaterhouseCoopers und Deutsche Telekom, Telefonica, deal united, Twilio und weg.de, hilft Kai Boyd Unternehmern und Einzelkämpfern, ihre Führungsfähigkeiten zu verbessern. Der Münchner und begeisterte Jogger bringt Expertise aus Konzernen, dem Mittelstand und Start-ups ein.

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