Du kannst diesen Beitrag auch als Podcast hören.
Die Gesellschaft wurde in systemrelevant und nicht systemrelevant unterteilt.
Allein diese Unterteilung befeuerte die Verschwörungstheorien. Angeblich sollten bestimmte Wirtschaftszweige ausgehungert werden.
Sicher – zu Beginn der Pandemie, besonders als noch nicht so viele Zahlen auf dem Tisch lagen, kamen die angekündigten Maßnahmen vielen von uns sehr drastisch, wenn nicht sogar übertrieben vor. Warum sollte man um Covid-19 so viel Aufwand betreiben, wenn die jährliche Grippewelle im Kindergarten lediglich mit einer Notiz versehen wird? Recht bald aber tauchten konkrete Fallzahlen auf. Auch renommierte Ärzte und Wissenschaftler meldeten sich zu Wort und schnell war vielen klar: Ganz so harmlos kann all das nicht sein. Dennoch halten sich bis heute hartnäckige Aussagen, es handele sich um eine reine Finte, sogenannte Fake-News.
Aber was solltest du tun, wenn du mit mehr oder weniger offensichtlich wirren Theorien konfrontiert bist, selbst aber überhaupt nichts von diesen Dingen hältst? Du brauchst eine gute Strategie, um mit diesen Aussagen gut umgehen zu können – bestenfalls auch so, dass die Beziehung zu dir sonst nahestehenden Menschen nicht endgültig beschädigt ist.
Theorie oder Erzählung?
Tatsache ist: Über sehr viele Dinge, die uns tagtäglich begegnen, herrscht in der Erklärung ein klarer Konsens. Aber auch gegenüber diesen Aussagen gibt es Menschen, die Verschwörungstheorien verbreiten. Sie argumentieren bei Alltagsthemen häufig damit, die Religion sollte durch Wissenschaft unterdrückt werden.
An dieser Stelle werden bewusst keine konkreten Beispiele genannt, denn allein die Erwähnung solcher Beispiele kann einen ungewollten Effekt haben.
Forscher degradieren solche Theorien gerne alleine dadurch, dass sie sie nicht »Verschwörungstheorie« nennen, sondern lediglich »Verschwörungserzählung«. Warum ist das so? Eine Theorie ist ein wissenschaftlicher Begriff, der bedingt, dass etwas tatsächlich überprüfbar ist. Gibt es Fakten, die die Theorie schwächen, wird diese angepasst oder verworfen. Was nun die Verschwörungserzählungen angeht, so handelt es sich hier in der Regel um eine zusammengewürfelte Anzahl an Einzelargumenten, deren Verbindungen und besonders die Schlussfolgerungen daraus frei erfunden sind. Häufig geht es um »die da oben« und »die Großen«. Ihre Erzähler enttarnen sich oftmals schon dadurch, dass sie logischen Argumenten, die ihre Erzählung widerlegen könnten, nicht aufgeschlossen sind.
Im Unterschied zu Verschwörungstheorien, besser gesagt Verschwörungserzählungen, die in dem Glauben verbreitet werden, es handele sich dabei um die Wahrheit, gibt es auch die Fake-News, tatsächliche Falschmeldungen. Deren Verfasser sind sich der Unwahrheit ihrer Aussage in der Regel bewusst. Denken wir beispielsweise an Wahlkampfteams, die bewusst unwahre Fakten über den Gegenkandidaten verbreiten, um ihm zu schaden.
Wie kommen Menschen überhaupt zu Verschwörungstheorien?
Dinge wie eine Pandemie, beispielsweise die Corona-Pandemie, machen vielen Menschen Angst. Da geht es um etwas, das man nicht einmal sehen kann mit Auswirkungen, die man nicht abschätzen kann. Eine Verschwörungstheorie bietet den Menschen, so verrückt das auch klingen mag, Halt. Sie haben den Eindruck, sie könnten sich all das erklären, was hier gerade passiert. Alles, was bisher unlogisch oder zumindest schwer greifbar erschien, scheint plötzlich sonnenklar. Zu diesem Phänomen gibt es sogar bereits Experimente. Man löste bei bestimmten Versuchspersonen ein Gefühl von Kontrollverlust aus. Während die Kontrollgruppe weiterhin logischen Argumenten aufgeschlossen war, neigte diese Gruppe stärker dazu, sich Verschwörungstheorien zu öffnen.
Forscher fanden aber auch andere Begründungen in der menschlichen Psyche, die uns für derlei Theorien offener werden lassen. Theorien, so absurd sie auch bei Tageslicht betrachtet wirken mögen, können Menschen miteinander verbinden. Es entsteht eine Art Gemeinschaftsgefühl und wer beispielsweise daran glaubt, es gäbe keinen Virus, der muss sich auch nicht überlegen, was er persönlich zu seiner eigenen und der Sicherheit anderer Menschen beitragen kann.
Manche Menschen nutzen das Verbreiten von Verschwörungstheorien aber auch dazu aus, um einzigartig zu wirken. Wenn viele Menschen um einen herum plötzlich »artig« mit Maske herumlaufen, wollen sie der einzige Rebell sein, der es natürlich besser weiß.
Gerade die Coronakrise beförderte, je länger sie andauerte, auch Widerstand gegen Autoritäten zu Tage. Wenn »die da oben« schon nicht wissen, wie sie den Dieselskandal beenden können, wie sollen sie dann mit so etwas wie einem Virus zurecht- kommen?
Wer sind die typischen Opfer?
Vielleicht hast du dich schon gefragt, woran du einen Verschwörungstheoretiker erkennen kannst. Leider zeigt sich gerade in der aktuellen Situation, dass weder ein bestimmter Bildungsgrad, noch Alter, Religion oder Geschlecht eine maßgebliche Rolle spielen. Tatsächlich gibt es eine Studie aus dem Jahr 2019, die zeigte, dass jeder zweite Deutsche zu einem gewissen Anteil glaubt, dass es Geheimorganisationen gibt, die ihre Finger in den unterschiedlichsten wesentlichen Lebensbereichen drin haben.
Entscheidend scheint vielmehr die eigene Toleranz zu sein, mit Unsicherheit und Kontrollverlust umzugehen. Menschen, die sich tendenziell eher machtlos fühlen, schwenken demnach leichter auf Verschwörungstheorien ein. Eine solche Tendenz wird von Forschern als »Verschwörungsmentalität« bezeichnet.
Je ausgeprägter das Misstrauen gegenüber »denen da oben« ist, desto ausgeprägter scheint die Verschwörungsmentalität zu sein. Leider bringt diese Neigung auch früher oder später eine erhöhte Gewaltzustimmung und teils sogar Gewaltbereitschaft mit sich.
Hat das Internet Verschwörungstheorien befeuert?
Die kurze Antwort auf diese Frage lautet: Nein. Es hat lediglich das Bewusstsein dafür geschärft und die Verbreitung derselben nochmal erleichtert. Schon zu Mozarts Zeiten gab es das Gerücht, er sei von Freimaurern ermordet worden. Über viele Jahre galten Verschwörungserzählungen sogar als durchaus akzeptierte Wissenschaftsform. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gerieten sie in Verruf.
Konkrete Zahlen zu der Frage, in welchem Ausmaß das Internet Verschwörungstheorien und deren leichte Verbreitung beeinflusst hat, gibt es bis dato nicht.
Wenn du dich selbst davor schützen möchtest, Falschmeldungen und Verschwörungserzählungen zu verbreiten, solltest du dir vor jedem Teilen, Liken und Befeuern vier Fragen stellen:
- Wer ist die Nachrichtenagentur, von der die Ursprungsmeldung kommt? Kenne ich sie?
- Für wie glaubwürdig halte ich die Information?
- Wie professionell ist die Meldung verfasst? Würde ich so einen Stil von einer renommierten Nachrichtenagentur erwarten?
- Gibt es hinter der Meldung eventuell ein politisches Motiv? Wie gefährlich sind Verschwörungstheorien?
Natürlich gibt es jede Menge harmloser Verschwörungstheorien. Schlimmstenfalls aber kann sie, wie am Beispiel der geheimen Vorherrschaft der Juden in vergangenen Zeiten zu sehen war, Millionen Menschenleben kosten. Wer sich solchen Theorien zu intensiv anschließt, läuft Gefahr, radikalisiert zu werden und, wie bereits erwähnt, Gewalt anfangs zu tolerieren und später selbst anzuwenden. Wer sich bewusst gegen bestimmte medizinische Maßnahmen stellt, kann damit nicht nur sich selbst, sondern auch anderen lebensgefährlichen Schaden zufügen.
Was tun gegen Verschwörungstheorien?
Verschwörungstheorien sind hartnäckige Gesellen. Sie lassen sich (leider) nicht mit einem einzigen Satz vom Tisch wischen. Aber was solltest du tun, wenn Familie, Freunde oder Mitarbeiter dich plötzlich mit haarsträubenden Theorien bombardieren? Viele dieser Menschen klammern sich an ihre Version der Geschichte und versuchen durch ständige Wiederholung und oft auch durch immer neue »Quellen«, ihre Erzählungen zu untermauern. Außer der Tatsache, dass die Erzählungen oft sehr nervtötend sind, möchtest du dich vielleicht auch aus den Fängen der Opferrolle befreien.
Bevor du einen Verschwörungstheoretiker auf seine, gelinde gesagt, umstrittenen Aussagen ansprichst: Informiere dich umfassend und entlarve mit wahren Aussagen die falschen Aussagen.
Forscher nennen dieses Verhalten »Debunking«. Du kannst das »Debunking« auf verschiedene Arten angehen:
- Vermeide es, die Aussagen zu wiederholen. Oftmals ist es nämlich so, dass sich die Annahmen dadurch bei deinem Gegenüber erst verfestigen.
- Sprich die Behauptungen erst dann an, wenn du passende Gegenargumente gesammelt hast.
- Warne, bevor du über Verschwörungstheorien sprichst, dass die folgenden Aussagen Menschen triggern könnten. Dein Gegenüber sollte wissen, dass du dir bewusst bist, dass es sich um falsche Informationen handelt.
- Schweif in deiner Erklärung nicht vom Kernpunkt ab. Konzentriere dich stattdessen auf das Wesentliche. Statt einfach wild loszuargumentieren und die gesamten Aussagen als Falschaussagen und Verschwörungserzählung zu entlarven, solltest du auf einer niedrigeren Ebene anfangen. Fang beispielsweise mit der angeführten Quelle oder einzelnen Details aus den Aussagen an.
- Wie kannst du die notwendige Medienkompetenz vermitteln? Gerade ältere Mitmenschen lassen sich oft nur schwerl umerziehen. In diesem Fall solltest du die Aussagen einfach stehenlassen. Sollte die Person logischen Argumenten gegenüber aufgeschlossen sein, kannst du dein Glück natürlich versuchen.
Aber wenn jemand noch nicht komplett in seinen Ansichten festgefahren ist, kannst du durchaus noch dazu übergehen, Medienkompetenz zu vermitteln.
Nicht wenige Menschen nehmen Aussagen von Quellen, die ihnen ohne größeres Hinterfragen als glaubwürdig erscheinen, einfach so hin.
- Oft findet sich darin das Muster »Gut gegen Böse«. Dabei wird vielfach die ganze Gesellschaft kategorisiert. Selbst stehen die Erzähler natürlich auf der guten Seite und »die anderen« haben niedere Motive für ihre Theorien.
- In der Regel kommt in Verschwörungserzählungen irgendeine (meist elitäre) Verschwörergemeinschaft vor. Diese hat ihre Finger in den unterschiedlichsten Lebensbereichen drin und ist oftmals sogar Lenker und Leiter dieser Bereiche, natürlich streng geheim. Mal sind es ganze Gruppen von Menschen, etwa die Juden, mal sind es einzelne Personen, beispielsweise Bill Gates oder wenig greifbare Geheimbünde.
- Es gibt keinen Platz für Zufälle, auch nicht in einem wirklich komplexen Geschehen. Im Fall von Corona gab es beispielsweise ein mysteriöses Labor in Wuhan. Diese Aussage leitete sich davon ab, dass es vor Ort ein Institut für Virologie gibt. Dass das ein Zufall sein könnte, wollten Verschwörungstheoretiker nicht stehen lassen.
- Wenn du den Wahrheitsgehalt einer Verschwörungstheorie ins Wanken bringen möchtest, könntest du auch noch anders vorgehen: Frag nach der möglichen Anzahl an Mitwissern. Wenn es sich um einen mächtigen Geheimbund oder eine mächtige Einzelperson handelt, dürfte diese ja logischerweise keine Feinde haben. Damit sich die Macht überhaupt durchsetzen könnte, wäre dafür doch einiges nötig. Frag nach, wie wahrscheinlich es wäre, dass bei der Vielzahl an Verbreitern der »Theorie« niemand das Geheimnis komplett ausplaudert – wissentlich oder unwissentlich. Allein die Wahrscheinlichkeit, dass sich niemand verplappert, geht immerhin gegen null.
Wie du dich im Gespräch mit Verschwörungstheoretikern verhalten solltest
Gerade bei der Vielzahl an Theoretikern kann es durchaus schwierig sein, sachlich vorzugehen. Konzentriere dich auf die Sachlage und auf Fakten. Es ist niemandem damit geholfen, emotional zu werden. Am Ende stehst du selbst noch als Teilnehmer der Verschwörung da. Bleibst du jedoch sachlich und auf der Argumentationsebene, hast du größere Chancen, dich durchzusetzen.
Werden bestimmte Aussagen beispielsweise in Gruppenchats geteilt, solltest du darauf achten, die teilende Person unter vier Augen, am besten sogar persönlich zu konfrontieren. Niemand möchte gern vor einer Gruppe als Verschwörungstheoretiker hingestellt werden. Unter Umständen hat die Person gar keine bösen Absichten, sondern hat leichtgläubig eine häufig geäußerte Aussage geteilt. Da hat sie es nicht verdient, als Opfer von falschen Behauptungen vor versammelter Mannschaft hingestellt zu werden. Der persönliche Kontakt ist deshalb vorzuziehen, weil das geschriebene Wort leider auch viel Raum für Missverständnisse bietet, die sich nur durch einen freundlichen beziehungsweise sachlichen Tonfall ausräumen lassen.
Wenn es sich um Freunde oder Familie handelt, solltest du die Hoffnung nicht so schnell aufgeben. Steter Tropfen höhlt den Stein und manch einer tendiert dazu, nicht sofort einzuknicken. Im Lauf der Zeit denkt er aber vielleicht über das Gesagte nach und ändert seine Meinung doch noch. Handelt es sich um einen Mitarbeiter oder Kollegen, musst du dir überlegen, ob es dir die Konfrontation wert ist und inwieweit du der Person etwas zu sagen hast. Handelt es sich um die Situation Führungskraft – Mitarbeiter, kannst du als Führungskraft ruhig derartige Argumentationen aus dem Arbeitsumfeld verbannen. Schließlich haben sie eher unwahrscheinlich etwas mit der Arbeit zu tun.
Bring Verschwörungstheoretiker eher zum selbst Nachdenken.
Konfrontierst du sie mit Fakten, läufst du Gefahr, auf eine verhärtete Front zu stoßen. Fragen regen zum eigenen Nachdenken an und umso wahrscheinlicher ist ein Umdenken. Stell deine Fragen aber generell ruhig, sachlich und vor allen Dingen sensibel. Niemand steht gerne als Idiot da. Bedenk das bei deiner Fragestellung.
Letztlich ist und bleibt der Umgang, den man auch im Führungskräfte Coaching lernt, mit Verschwörungstheorien immer kompliziert. Schließlich mischen sich hier oftmals die berufliche und die private Ebene. Ebenso, wie Religion und Politik aus dem Berufsumfeld draußen bleiben sollten, solltest du es auch mit Theorien zu beispielsweise einer Pandemie wie der Corona-Infektion halten.